Bittersweet Moon
Wange.
"Danke
Max", erwiderte ich und schwieg.
"Marco
hat mich zum Italiener eingeladen. Du kommst bestimmt auch mit, oder?",
fragte er erwartungsvoll und versuchte entspannt zu lächeln.
"Nein,
Max, ich komme nicht mit. Ich habe Besuch, der schon auf mich wartet",
musste ich ihn enttäuschen. Ehe er etwas erwidern konnte, griff Herr Bergmann
dazwischen, der mit der Sektflasche in der Hand nach meinem Glas suchte.
"Was höre ich gerade? Du kommst nicht mit?", zog er verwundert die
buschigen Augenbrauen hoch.
"Nein,
ich kann leider nicht, bin schon verabredet", entschuldigte ich mich mit
schlechtem Gewissen.
"Echt
schade. Aber ich verstehe schon, wenn dein Lover extra wegen dir angereist ist,
kannst du ihn nicht warten lassen." Obwohl er lächelte, wirkte er leicht
enttäuscht darüber.
"So
ist es", nickte ich und sah aus den Augenwinkeln, wie Max aufmerksam
zuhörte. "Ich wünsche euch allen einen schönen Abend", verabschiedete
ich mich schließlich bei Herr Bergmann und verdrängte meine Schuldgefühle bei
diesem unkollegialen Verhalten. Für Robin lasse ich alle anderen Menschen
einfach fallen, schoss mir die unliebsame Erkenntnis kurz durch den Kopf.
" Wir dir auch! Wir werden dich
vermissen!" rief mir Herr Bergmann noch über seine Schultern zu, ehe er
den Raum verließ.
"Na
dann, viel Spaß heute Nacht", wünschte mir auch Max mit leicht
sarkastischem Tonfall, der mir seine unterdrückte Wut auf mich verriet.
"Tschüß
Max", erwiderte ich gleichgültig, ohne ihn noch mal anzusehen. O ja,
ich werde bestimmt viel Spaß heute Nacht haben, darauf kannst du wetten!, versicherte
ich ihm wortlos. Ich erlaubte ihm nicht, mir diesen kostbaren Abend mit Robin
zu verderben, auch wenn ich mir dabei rücksichtslos vorkam. Die Vorfreude, die
mich bei dem Gedanken an Robin überfiel, erhellte wieder mein Gesicht. Endlich
blieb ich alleine im Raum und ich schloss die Tür. Schnell entledigte ich mich
des Bühnenkostüms und zog meine privaten Klamotten an. Dann klopfte es schon
wieder an meiner Tür und Frau Spencer steckte ihren Kopf herein. Sie strahlte
vor Begeisterung, als sie mich beglückwünschte und umarmte. "Du warst
bezaubernd! Stimmlich auf der Höhe und auch schauspielerisch hattest du eine
starke Bühnenpräsenz. Gut gemacht!" Sie küsste mich noch auf die Wange und
hüllte mich in eine dicke Wolke aus ihrem betörenden Designerparfüm.
"Vielen
Dank, Frau Spencer! Ich bin diesmal auch sehr zufrieden mit meiner
Leistung", freute ich mich noch besonders über ihr Lob. Sie hatte großen
Verdienst daran, dass ich in den letzten zwei Jahren mit meiner Gesangstechnik,
die am Anfang meines Studiums noch ziemlich mangelhaft war, so große
Fortschritte gemacht hatte. Frau Spencer glaubte von Anfang an an meine
musikalischen Qualitäten und gab sich große Mühe, meine Stimme in kürzester
Zeit auszubauen und sie in Topform zu bringen.
"Ich
hörte schon, du kommst nicht mit", bedauerte sie.
"Es
geht leider nicht, mein Besuch ist nur für diese Nacht in der Stadt und ich
möchte schnellstens zu ihm", entschuldigte ich mich wieder für mein
egoistisches Verhalten.
"Ich
verstehe, mach dir keine Gedanken! Du kannst am Sonntag mitkommen, wenn die
Zweitbesetzung aufgetreten ist", zeigte Frau Spencer ihr Verständnis, das
mir in dieser Situation besonders gut tat. Mit vollen Sektgläsern stießen wir
an. "Prost! Genieße den Abend, du hast es dir echt verdient!" blickte
sie mich mit ihren hellgrünen Augen wohlgesinnt an und verließ mich auch schon,
begleitet vom rhythmischen Rascheln ihres schicken Chiffonkleides.
"Schönen
Abend, Frau Spencer!" rief ich ihr nach, bevor ich mich vor den großen
Spiegeltisch setzte und den Versuch startete, mich von der Theaterschminke zu
befreien. Es gelang mir einfacher, als ich dachte und ich zog noch die
Haarspangen aus meinem Haar. Endlich sah ich wieder aus wie ich und mit
gewohnter Routine schminkte ich mir nur die Augen nach. Die große Wanduhr
zeigte kurz nach neun. Mit ein wenig Glück bin ich um halb zehn bei Robin!, sprang
ich angespornt auf die Beine und zog meine Stiefel und den Mantel an.
Im
breitem Flur standen noch alle Mitwirkende und redeten laut und begeistert miteinander,
während sie auf den gemeinsamen Abgang zu dem Restaurant warteten. Über dem
Raum hing eine fast sichtbare Wolke aus Glücksgefühlen und unbeschwerter
Freude, die von den jungen Menschen ausging und für einige kurze Augenblicke
nahm ich innerlich daran teil. Es gelang mir den Flur zu
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