Bittersweet Moon
verlassen ohne
Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hatte keine Lust, jedem Einzelnem zu erklären,
warum ich nicht mitkommen konnte und ich tat einfach so, als ob ich mir nur
einen Kaffee aus dem Getränkeautomaten am Ende des Flurs holen wollte. So
verließ ich unbemerkt den Hinterbühnenbereich und durchstreifte schnellen
Schrittes das Foyer. Frank kam mir entgegen und reichte mir seine Hand.
"Herzlichen Glückwunsch erst mal", sagte er freundlich.
"Danke
Frank! Na, ist alles nach Plan verlaufen?", erkundigte ich mich neugierig
und zügelte mühsam meine Ungeduld.
"Ja.
Er kam pünktlich um zehn nach Sieben und ich erkannte ihn gleich." Frank
korrigierte sich schnell, als ich einen total entgeisterten Gesichtsausdruck
machte: "Ich meine, ich erkannte seine Beschreibung, sonst habe ich keine
Ahnung wer er ist. Der Bursche trug eine schwarze Brille und den Cowboyhut,
darin würde ich nicht mal den amerikanischen Präsidenten erkennen können",
beruhigte er mich gleich und schmunzelte dabei. Klar, Robin war zwar ein
weltbekannter Sänger, aber trotzdem nicht so berühmt, dass ein älterer, leicht
sehschwacher Pförtner ihn identifizieren konnte. Erleichtert atmete ich auf.
Augenblicklich malte ich mir vor meinen Augen das mögliche Schreckensszenario
aus, wie am nächstem Tag die ganze Hochschule über Robins Besuch sprechen
würde. Ich traute hier niemandem Diskretion zu und die Öffentlichkeit würde
sehr schnell Wind davon kriegen. Oder noch schlimmer - Robin würde jemandem von
der Presse auffallen, die zu wichtigen Premieren immer eingeladen wurde! Berühmter
Rocksänger besuchte inkognito eine unbedeutende Opernaufführung an der
Musikhochschule! Was steckt hinter seinem geheimnisvollen Besuch? Eine
heimliche Affäre mit einer noch unbekannten Musikstudentin? Das wäre ein
gefundenes Fressen für die Boulevardmagazine und ihre Schlagzeilen! Erheitert
lächelte ich darüber. Unser Abenteuer gefiel mir noch zusätzlich, weil es nicht
ganz ungefährlich war und dass Robin gerne mit dem Feuer spielte und seinen Spaß
dabei hatte, war mir auch nichts neues. Ich merkte wie Frank mich fragend
anschaute, wahrscheinlich wirkte ich etwas abwesend. „Ich höre zu, Frank,
erzählen Sie bitte weiter!, versicherte ich ihm rasch um ihn nicht zu kränken.
"Also,
ich brachte ihn schweigend zu dem Balkon, ich spreche ja kein englisch. Er hat
zwar etwas zu mir gesagt, aber ich verstand es nicht. Nach dem großen Applaus
am Ende sah ich ihn wieder hier vorbeilaufen, er machte eine grüßende Geste und
dann verschwand er schon. Das war eigentlich alles", beendete Frank seinen
ausführlichen Bericht und setzte sich auf seinen Stuhl hinter dem Pult hin.
"Frank,
haben Sie vielen Dank! Es war sehr wichtig für mich, dass Sie mir geholfen
haben, Sie sind ein Schatz!" bedankte ich mich vom Herzen und drückte
seine Hand.
"Gern
geschehen! Ich helfe gerne, wo ich kann", sagte Frank bescheiden und
blinzelte verlegen mit den Augen hinter seiner dicken Brille.
"Sag
mal, dein geheimnisvoller Gast, der sieht aber irgendwie gefährlich aus, so
ganz im schwarz", hielt mich Frank doch noch an, als ich mich schon vom
ihm abwendete. Ich drehte mich zurück zu ihm und sah, wie die Neugier ihn
packte. Er hoffte scheinbar, ich würde ihm mehr über Robin verraten.
"Ja,
ist er auch", bestätigte ich lachend seine Annahme und wusste selber nicht
ob ich nur scherzte oder es ernst meinte.
"Na
dann, gib acht auf dich, Mädchen!", legte er mir noch lächelnd seinen gut
gemeinten, aber etwas unpassenden Rat ans Herz, bevor ich ihn verließ. Trotz
meiner Dankbarkeit war ich nicht bereit länger mit ihm über Robin zu plaudern,
ich wollte endlich zu ihm, ohne weitere Verzögerungen.
"Mach
ich, keine Sorge! Gute Nacht Frank." Mit dem Gruß verabschiedete ich mich
und drückte gegen die schwere Eingangstür. Auf der Straße empfing mich heftiger
Schneefall, der die Stadt wieder in einen weißen, bauschigen Mantel hüllte. Die
Luft war schneidend kalt, aber ich atmete sie mit Genuss tief ein. Ein Deja-Vu
Effekt versetzte mich sofort in die Stimmung, die ich am Freitag vor zwei
Wochen so sehr genoss und die Vorbotin meiner schicksalhaften Begegnung mit
Robin war. Damals eilte ich von der Hochschule zu dem Hotel, noch nicht ahnend,
wie dieser verschneite Abend mein ganzes Leben verändern wird. Heute jedoch
kehrte ich triumphierend nach Hause, zu Robin, wo mein Glück greifbar und echt
auf mich wartete. Ich träumte nicht länger, ich schritt bestimmt und
Weitere Kostenlose Bücher