Bittersweet Moon
wenn Robin sich schon längst von mir
verabschiedet hatte und nur zur einer Erinnerung werden würde.
Robin
setzte sich an den Flügel und ich nahm Platz auf dem Sofa, so dass wir
Blickkontakt behielten. Er spielte und sang etwas leiser und langsamer als auf
den Aufnahmen und so wirkte das Lied noch trauriger. Bei dem Refrain schaute er
mir die ganze Zeit in die Augen, er sang die Worte wie eine Art Versprechen,
das er mir als Abschiedsgeschenk geben wollte. Würde er sich in zehn Jahren an
mich erinnern? Berührte ich ihn tief genug, um für immer in seine Erinnerung
einzugehen, wie die Jugendliebe, die er im Lied besang? Das Mädchen im Song war
nicht Claire, das wusste ich ganz genau, sie waren damals noch kein Paar und
Robin selber sagte einmal im Interview, es handelte sich um ein Mädchen aus
seiner Jugend, die tragischerweise vorzeitig aus dem Leben geschieden ist.
Als ich
Robins warmer, sinnlicher Stimme zuhörte, überfiel mich wilde Sehnsucht danach,
ein fester Teil seines Lebens zu werden, mehr als nur eine kurzlebige Affäre,
mehr als nur eine flüchtige Bettbekanntschaft, die keine bleibenden Spuren
hinterlässt. In diesem Augenblick wurde mir klar, wie ich mich selber betrog
und belog, als ich mir eingeredet hatte, ich wäre zufrieden mit dem, was ich
von Robin kriegte. Die Rolle der heimlichen, anspruchslosen Geliebten eines
Traummannes wird mich auf Dauer nicht glücklich machen, sie wird mich zu sehr
einengen und mein Bedürfnis nach Ganzheit langsam ersticken. An jenem
schicksalhaften Freitag war es nicht voraussehbar, was für eine rasante
Entwicklung unsere Begegnung nehmen würde. Jeder Tag, den wir nur stundenweise
miteinander verbringen konnten, brachte uns eine gewaltige Stufe weiter in
unserer Beziehung. Dem zauberhaften Flirt am ersten Abend folgte ein heißer
One-Night-Stand, der nahtlos in eine leidenschaftliche Affäre überging, aus der
schon am nächsten Morgen eine echte Romanze wurde. Wir verabschiedeten uns
schließlich als ein Liebespaar, das entschlossen war, eine geheime
Fernbeziehung zu führen. Und jetzt, nach unserem stürmischen Wiedersehen, das
unsere verrückte Liebe nur noch vertiefte und ich mich vor meinen Freunden auch
offiziell als Robins Geliebte outete, ohne dabei seine wahre Identität
preiszugeben, wünschte ich mir, mehr als nur Robins gut behütetes Geheimnis zu
bleiben. Unvernünftig fing ich an, mir Illusionen über unsere gemeinsame
Zukunft zu machen. An diesem Morgen ertappte ich mich oft bei Gedanken an Robin
und Claire. Sie wären ja nicht das erste prominente Traumpaar, das sich nach
mehreren Ehejahren getrennt hätte. Ich verglich mich mit ihr, um zu prüfen, ob
ich mit ihr konkurrieren konnte. Wir waren völlig verschiedene Frauentypen -
Claire war blond, klein und zierlich gebaut, ich war ein dunklerer Typ, groß
und mit weiblichen Rundungen. Sie war von Beruf Sekretärin und eher eine
nüchterne Natur, ich eine Künstlerin mit ausgeprägt bunter Fantasie. Sie war
ein Jahr älter als Robin, ich fast zehn Jahre jünger. Wir hätten nicht
unterschiedlicher sein können, als wir waren und ich traute mich zu glauben,
dass ich Robin mehr zu bieten hätte als sie. Aber ich vergaß dabei Robins Sohn,
den sie ihm geschenkt hatte und ihn damit für immer an sich band. Damit konnte
ich nicht wettstreiten, genauso wenig wie mit den vielen Jahren, die sie an
Robins Seite verbracht hatte, immer verständnisvoll und unterstützend. Sie
tolerierte seine Eskapaden, verzieh ihm großzügig seine Seitensprünge mit
Groupies und wartete geduldig auf ihn, während er mit der Band um die Welt
tourte und seinen Erfolg genoss. Sie war seine sichere, ruhige Oase, wohin er
immer wieder zurückkehren und sich von dem wilden Leben im Showbusiness
ausruhen konnte. Nein, so eine Frau wie Claire wird er niemals aufgeben, egal
wie sehr er mich auch lieben mochte. Schließlich warf ich die verführerischen
Gedanken ab und schämte mich dafür, dass ich mir vorstellen konnte, eine
glückliche Familie zerstören zu wollen, Robins kleinem Sohn den Vater
wegzunehmen und die Frau, die er schon so lange liebte, ins Unglück zu stürzen.
Nur weil ich mir eingebildet hatte, meine Liebe zu Robin wäre stärker als
Claires und ich könnte ihn glücklicher machen als sie! Die Versuchung dieser
Gedanken war mächtig und ich verstand, dass ich mich davor in der Zukunft
lieber schützen sollte. Ich versuchte sie von mir abzuschütteln und
konzentrierte mich nur noch auf Robins Stimme.
Er sang
die
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