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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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bisschen zu betteln, wenn es um die Liebe geht.) »Bitte!« Tränen rannen mir übers Gesicht, meine Nase begann zu laufen. Ich führte mich wie ein Kleinkind auf. Es war jämmerlich, und Simon Green, der ein weiches Herz hatte und so grün hinter den Ohren war wie sein Nachname, bekam Mitleid mit mir.
    »Na gut, Anya. Wir können es ja versuchen.«
    Mit dem Aufzug fuhren wir auf die Kinderstation. Wie grotesk, dass der fast erwachsene Win immer noch als Kind behandelt wurde. Zufällig war Mittagspause, daher saßen keine Wachleute vor Wins Zimmer. Wir klopften an die orangefarbene Tür, auf die ein ausgeschnittener Sonnenschirm geklebt war. Wahrscheinlich sollte er verkünden, dass der Sommer nahe war, auch wenn es einem nicht so vorkam, wenn man im Krankenbett lag.
    »Herein!«, rief eine Frauenstimme. Ich schob die Tür auf. Das Bett war leer. Wins Mutter saß auf einem Stuhl am Fenster. Als sie mich erblickte, rechnete ich damit, dass sie mich hinauswerfen würde, doch das tat sie nicht. »Win wird gerade geröngt. Komm doch herein, Anya«, sagte sie.
    Simon Green und ich ließen uns nicht zweimal bitten. Ich wusste, dass Wins Mutter mir gerade ein Geschenk machte, daher bemühte ich mich um eine höfliche Unterhaltung. »Wie geht es Ihren Apfelsinen?«, fragte ich.
    »Sehr gut, danke.« Mrs. Delacroix lachte. »Ich möchte dir sagen, dass sich Charlie meiner Meinung nach wie ein absoluter Barbar aufführt«, sagte sie. »Das, was passiert ist, ist nicht deine Schuld. Wenn überhaupt, dann hat deine schnelle Reaktion Win das Leben gerettet.«
    »Es ist aber auch nicht so, als hätte ich gar nichts damit zu tun, dass er in diese Situation geraten ist«, fühlte ich mich gezwungen zu erklären.
    »Nun, ja … nobody’s perfect . Setz dich doch hin! Win ist gleich wieder da, und ich weiß, dass er dich gerne sehen möchte. Was übrigens eine große Untertreibung ist.«
    Da keine weiteren Stühle zur Verfügung standen, setzten Simon Green und ich uns aufs Bett.
    Die beiden bestritten den Großteil der Unterhaltung, ich war zu aufgeregt zum Sprechen.
    Schließlich rollte ein Pfleger Win zurück auf sein Zimmer. Er trug ein T-Shirt und eine Jogginghose, von der ein Bein abgeschnitten war, damit all die schwarzen Schrauben und anderen Eisenteile Platz hatten, die seine Hüfte und sein Bein zusammenhielten.
    Mein wunderschöner Win. Ich wollte ihn auf jeden kaputten Knochen küssen, aber schließlich waren seine Mutter und mein Anwalt dabei. Stattdessen begann ich zu weinen.
    Ich hatte ihm das angetan.
    Beziehungsweise wenn ich es auch nicht selbst gewesen war, so war ich doch der Grund, weswegen ihm das geschehen war.
    Wins Verletzungen waren nicht annähernd so schlimm wie das, was Gable widerfahren war, aber mit Win hatte ich viel mehr Mitleid. Das lag wohl daran, dass ich ihn liebte.
    »Lassen wir die Kinder einen Moment allein«, sagte Mrs. Delacroix.
    »Nach der Mittagspause kommen die Wachen zurück.« Sie ging mit Simon Green nach draußen auf den Flur.
    Zuerst konnte ich Win kaum ansehen. Er wirkte so zerbrechlich. Kein Wunder, dass sein Vater ihn vor allen schützen wollte.
    »Sag doch was!«, forderte er mich zärtlich auf. »Du kannst da nicht einfach stehen, ohne was zu sagen oder mich anzusehen. Dann denke ich noch, du magst mich nicht mehr.«
    »Ich hatte solche Angst«, sagte ich schließlich. »Und hab mir solche Sorgen um dich gemacht. Und dann durfte ich nicht zu dir. Nicht mal anrufen durfte ich dich. Und jetzt bin ich hier, und du bist so schwer verletzt und krank. Hast du große Schmerzen?«
    »Nur wenn ich versuche, zu stehen, zu sitzen, mich umzudrehen oder zu atmen«, witzelte er. »Moment, hilf mir mal zurück ins Bett, Kleine.« Er stützte sich auf mir ab, dann schob er sich aufs Bett. Er zuckte zusammen.
    »Oh«, machte ich. »Tat das gerade weh?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht, du Dummerchen. Du machst alles heil.« Ich beugte mich vor und hauchte Küsse auf die Stellen seines Beines, wo sich Schrauben in seine Haut bohrten. Dann krabbelte ich ins Bett und legte mich neben ihn.
    Wir mussten eingeschlafen sein, denn auf einmal schreckten wir hoch, weil die Wachleute ins Zimmer stürzten und mich aus Wins Bett rissen. Ich fiel aufs Knie. Das würde einen dicken blauen Fleck geben, doch ich merkte kaum etwas.
    »Lasst sie in Ruhe!«, rief Win. »Sie tut doch nichts!«
    »Anweisung Ihres Vaters«, erwiderte ein Wachmann mit entschuldigender Stimme.
    »Er hat aber nicht

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