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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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setzte Leo eine schwarze Kappe auf den Kopf, um sein Gesicht etwas zu überschatten. »Nur für den Fall, dass dich draußen irgendwer erkennt.«
    Dieses Thema hatten wir schon mehrmals besprochen und waren zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, wenn ich Leo zum Wagen brachte, weil alle wussten, dass Scarlet mit Gable Arsley auf dem Ball war, der an den Rollstuhl gefesselt war. Leo würde man wahrscheinlich für Win halten, wenn uns überhaupt jemand bemerkte. »Nein, das geht schon. Sind schließlich nur zwanzig Meter bis zum Wagen.«
    »Leo, bist du so weit?«
    Er bot mir seinen Arm an, und ich hakte mich bei ihm unter. »Auf Wiedersehen, Scarlet«, rief er. »Du siehst wundervoll aus. Pass auf, dass Gable Arsley nicht gemein zu dir ist.«
    »Mach ich, Leo, versprochen«, sagte Scarlet.
    Wir gingen die Treppe hinunter, vorbei am Sekretariat, an der Turnhalle, wo der Ball stattfand, und vorbei am Wertmarkenverkauf. Fast hatten wir den Haupteingang erreicht, da rief jemand meinen Namen. Es war Dr. Lau, eine der Aufsichtspersonen an dem Abend. Ich drehte mich zu ihr um und hoffte bei mir, dass Leo schlau genug war, mir nicht zu folgen.
    »Gute Neuigkeiten, Anya! Ich habe Sie schon überall gesucht. Ich wollte Ihnen gerne persönlich sagen, dass ich gerade erfahren haben, dass Ihre Bewerbung für den Tatort-Sommerkurs angenommen wurde.«
    »Oh, wow, das ist ja super!«, erwiderte ich. »Ich … mir ist ein klein wenig schwindelig. Ist es in Ordnung, wenn wir später darüber reden?«
    »Stimmt irgendwas nicht, Anya?«, fragte Dr. Lau. 
    »Doch, alles in Ordnung«, sagte ich. »Ich brauche nur ein wenig frische Luft. Bin in fünf Minuten wieder da.« Ich drückte die schwere Doppeltür der Schule auf und zog Leo hinter mir her. Wir gingen über den Bürgersteig. Drei Jungen im Smoking warfen sich einen Football zu. Mädchen in langen Kleidern saßen auf der Eingangstreppe. Chai Pinter war dabei, aber sie sah mich nicht. Paparazzi und Journalisten waren keine in Sicht, auch wenn das egal gewesen wäre. Leos Wagen stand zur Abfahrt bereit. Es gab nichts zu verzögern.
    Da es ein besonderer Anlass war, hatten sich einige Jugendliche für den Abend ein Auto geliehen. Am Ende einer Reihe schwarzer Limousinen entdeckte ich den Wagen für Leo: ein schwarzer Schlitten mit einem grünen vierblättrigen Kleeblatt als Lufterfrischer am Rückspiegel.
    Mit gleichmäßigem Tempo gingen wir voran. Niemand schien uns zu bemerken. Als wir an der Beifahrertür standen, gab ich Leo ein Küsschen auf die Wange. »Gute Reise!«, sagte ich. Ich hielt es für das Beste, wenn wir jegliche längere Verabschiedung vermieden. »Ach ja, würdest du mir vielleicht Daddys Pistole zurückgeben?«
    »Warum?«, fragte Leo.
    »Weil du sie dort nicht brauchst, wo du hinfährst.«
    Er zog sie aus dem Bund seiner Hose, ich steckte sie in meine Handtasche.
    »Ich hab dich lieb, Annie. Sag Natty, dass ich sie auch liebhabe. Tut mir leid, dass ich dir so viel Ärger gemacht habe.«
    »Ist schon gut, Leo. Du bist mein Bruder. Ich würde alles für dich tun.«
    Er stieg in den Wagen. »Kann ich Weihnachten nach Hause kommen?«
    »Nein, Leo, das glaube ich nicht. Wir schauen einfach mal, wie es so läuft, ja? Vielleicht kann ich dich mal besuchen kommen.«
    »Und Natty?«
    »Natty auch, sicher«, log ich.
    Ich sah zu, wie der Wagen davonfuhr, dann ging ich wieder zu den anderen. Dr. Lau war nicht mehr im Eingangsbereich, auch gut. Ich wollte drinnen mit meinem Freund tanzen und mich ein wenig entspannen. Da ich Leo nun endlich weggebracht hatte, löste sich der Klumpen im Magen, den ich in den letzten zweieinhalb Wochen gespürt hatte, langsam auf. (Ganz verschwunden würde er erst sein, wenn ich von Yuji Ono Entwarnung bekam.)
    Ich suchte Win. Er unterhielt sich mit einigen der Jungs, die mit ihm Musik machten. »Wo bist du so lange gewesen?«
    »Als ich von der Toilette zurückkam, lief mir Dr. Lau über den Weg«, erklärte ich. »Ich bin zu dem Ferienkurs zugelassen, für den ich mich beworben habe. Sie hat mir fast ein Ohr abgekaut.«
    »Glückwunsch!«, sagte Win. »Ich bin total stolz auf dich. Wie lange dauert der Kurs noch mal?«
    »Sechs Wochen«, gestand ich.
    »Na, so schlimm ist das auch nicht. Obwohl du mir bestimmt fehlen wirst«, sagte er und zog mich an sich.
    Dann tanzten wir mehrere Lieder zusammen. Ich hatte immer gedacht, ich würde nicht gerne tanzen, aber vielleicht hatte ich nur noch nicht den richtigen Partner gehabt.
    »Letztes

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