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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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zu schützen, er wollte uns miteinander bekannt machen, wenn ich ein Jahr bei ihm war. Wir arbeiteten darauf hin, dass ich ihn eines Tages ablösen könnte, aber keiner von uns hatte eine Ahnung, dass das so schnell kommen würde.«
    »Armer Mr. Kipling.«
    Simon Green schaute auf seine Hände. »Ich will zwar keine Ausflüchte machen, aber ich glaube, meine Unzulänglichkeit vor Gericht lässt sich teilweise auf meinen Schock angesichts der plötzlichen Verschlechterung von Mr. Kiplings Gesundheitszustand zurückführen. Ich entschuldige mich abermals. Wie werden Sie hier behandelt?«
    Ich sagte, dass ich darüber lieber nicht sprechen wollte.
    »Ich möchte Ihnen noch einmal versichern, dass mein oberstes Ziel ist, Sie hier herauszubekommen.« Green schüttelte den Kopf. »Wenn ich mich besser vorbereitet hätte, wären Sie niemals hierhergeschickt worden.«
    »Danke, Mr. Green«, sagte ich.
    »Nennen Sie mich doch Simon.«
    Eigentlich war mir »Mr. Green« lieber.
    Wir reichten uns die Hand. Sein Griff war nicht zu kräftig und nicht zu lasch, seine Handfläche trocken. Außerdem wusste dieser Mann, wie man sich ordentlich entschuldigte. »Sie haben noch mehr Besuch. Ich sollte Sie nicht länger in Beschlag nehmen«, sagte Simon Green.
    Die anderen Besucher an dem Nachmittag waren Scarlet und Leo, doch fast wäre mir lieber gewesen, keinen von beiden zu sehen. Besuch zu haben war anstrengend. Beide wollten versichert sein, dass es mir gutging, und der Aufgabe war ich nicht gewachsen. Scarlet sagte mir, dass Natty ebenfalls habe mitkommen wollen, sie ihr aber davon abgeraten habe. »Win auch«, fügte sie hinzu. Ihr Instinkt war in beiden Fällen richtig gewesen. »Dein Bild ist überall in den Nachrichten«, teilte sie mir mit.
    »Hab ich schon gehört«, erwiderte ich.
    »Du bist berühmt.«
    »Eher berüchtigt.«
    »Armes Mäuschen.« Scarlet beugte sich vor, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben, und eine Aufseherin rief: »Keine Küsse!«
    Scarlet kicherte. »Vielleicht glauben Sie ja, ich wäre deine Freundin. Dein Anwalt ist übrigens irgendwie süß«, meinte sie. Offenbar hatten sich die beiden im Warteraum getroffen.
    »Du findest doch jeden süß«, sagte ich. Mir war egal, wie er aussah; mir war nur wichtig, dass er etwas erreichte.
    Als mein Besuch fort war, kam Mrs. Cobrawick auf mich zu. Sie war deutlich schicker gekleidet als am Vortag, trug ein enges beiges Kleid, eine Perlenkette, war geschminkt und hatte sich das Haar zu einer Frisur gesteckt, die man, glaube ich, Banane nannte. »Generell sind den Mädchen nur zwei Besucher erlaubt, aber bei Ihnen habe ich eine Ausnahme gemacht«, sagte die Leiterin der Anstalt.
    Ich entgegnete, dass ich das nicht gewusst hätte, und versicherte ihr, dass es nicht wieder vorkommen würde.
    »Schon gut, Anya. Ein schlichtes Dankeschön würde schon reichen«, sagte Mrs. Cobrawick.
    »Danke sehr«, sagte ich. Allerdings war es mir äußerst unangenehm, dieser Frau in irgendeiner Hinsicht etwas zu schulden.
    »Ich habe Ihren Bruder gesehen. Ich habe gehört, er sei einfältig, aber auf mich wirkte er ganz normal«, bemerkte sie.
    Ich wollte mit dieser Frau nicht über Leo sprechen. »Er kommt gut zurecht«, sagte ich.
    »Ich merke, dass Ihnen das Thema unangenehm ist, aber ich bin Ihre Freundin, und Sie sollten sich frei fühlen, mit mir über dieses oder jedes andere Thema zu sprechen. Wie fanden Sie die Orientierung?«
    War das ihre Bezeichnung für das, was sie am Donnerstag mit mir gemacht hatten? »Die fand ich ziemlich mittelalterlich«, bemerkte ich.
    »Mittelalterlich?« Sie lachte. »Sie sind schon ein komischer Kauz …«
    Ich schwieg.
    Eine Frau mit einem Fotoapparat ging vorbei und fragte: »Ein Bild für unseren Newsletter für die Spender, Mrs. Cobrawick?«
    »Oje! Na, man muss den Anforderungen der Öffentlichkeit ja wohl nachkommen.« Mrs. Cobrawick legte den Arm um mich. Es blitzte. Ich hoffte, halbwegs anständig auszusehen, auch wenn ich es bezweifelte. Ich wusste, wie so was lief. Die Aufnahme würde verkauft werden, und ich rechnete damit, dass es nur eine Frage von Tagen, wenn nicht gar Stunden war, ehe sie in den Nachrichten neben meinem Schülerfoto auftauchte.
    »Und, was meinen Sie, wie viel Sie dafür bekommen?«, fragte ich.
    Mrs. Cobrawick nestelte an ihrer Perlenkette herum. »Wofür bekommen?«
    Eigentlich wäre es besser gewesen, den Mund zu halten, doch es musste einfach raus. »Für das Bild«, sagte ich. »Von mir.«
    Sie sah

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