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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Gewicht seiner Verantwortung zu schwer zu tragen.
    »Ich will noch mal anders anfangen. Wissen Sie, wie meine Vorgängerin heimlich genannt wurde, Anya? Staatsanwältin Schamlos, ein Beiname, den sie erhielt, weil sie ihre krummen Finger in so viele Taschen steckte, unter anderem – ich sollte nicht versäumen, das zu erwähnen – in die von Balanchine Chocolate.«
    »Darüber weiß ich nichts.«
    »Natürlich nicht, Anya. Wie sollten Sie auch? Sie tragen nur den Nachnamen, Sie stellen keine Schecks aus. Und die Interessen meiner Vorgängerin, um es höflich auszudrücken, waren breit gefächert. Es läuft folgendermaßen: Rationierung von Gütern und sinnlose – wenn auch wohlgemeinte – Verbote lassen Schwarzmärkte entstehen, Schwarzmärkte begünstigen die Armut, Verschmutzung und selbstverständlich das organisierte Verbrechen, das organisierte Verbrechen fördert die Korruption, und das alles hat unsere Regierung zu einem Umfeld gemacht, wo schamlose Bürokraten jeder Couleur gedeihen. Meine persönliche Mission ist es, diese Bürokraten auszurotten. Ich werde nicht als Staatsanwalt Schamlos in die Geschichte eingehen. Aber wenn sich mein Sohn plötzlich mit der Tochter von Leonyd Balanchine trifft, dem berüchtigten Schokoladen-Magnaten, bekommt das Ganze den Anschein von Unanständigkeit. Das wäre ein Schlag gegen meine Glaubwürdigkeit. So einen Schlag kann ich mir nicht erlauben. Diese ehemals großartige Stadt kann es sich nicht erlauben, dass ich so einen Schlag bekomme. Es ist nicht Ihre Schuld, und ich würde mir wünschen, dass alles anders wäre. Aber die Menschen haben Vorurteile, Anya. Sie ziehen voreilige Schlüsse. Das wissen Sie bestimmt besser als alle anderen.«
    »Mr. Delacroix, ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden. Win und ich sind nur gute Freunde.«
    »Schön. Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen«, erwiderte Wins Vater.
    »Außerdem: Wenn Sie nicht wollen, dass ich mit Ihrem Sohn gehe, warum verbieten Sie es ihm dann nicht?«, fragte ich. »Schließlich sind Sie sein Vater, nicht meiner.«
    »Weil er Sie nur umso mehr würde haben wollen, wenn ich es ihm verbiete. Mein Sohn ist ein guter Junge, aber er ist aufsässig, romantisch, idealistisch. Er hat es zu einfach gehabt im Leben. Er ist nicht so praktisch veranlagt wie Sie und ich.«
    Das Schiffshorn erklang. Wir waren kurz vorm Anlegen.
    »Und, sind wir uns einig?«, fragte Charles Delacroix. Er hielt mir die Hand hin, damit ich einschlug.
    »Mein Vater hat immer gesagt, dass man sich auf nichts einlassen soll, wenn man nicht genau weiß, was man davon hat«, bemerkte ich.
    »Kluges Mädchen«, sagte der stellvertretende Staatsanwalt. »Ich bewundere Ihre Haltung.«
    Das Schiff legte an. Ich sah, dass Simon Green am Ufer auf mich wartete. Mit letzter Kraft lief ich zu ihm, fort von Charles Delacroix.
    Eine Stimme, die ich nicht kannte, rief: »Das ist sie! Anya Balanchine!«
    Ich drehte mich um und wurde geblendet von einem Blitzlichtgewitter. Als ich wieder sehen konnte, erkannte ich Polizisten, die rechts von Simon Green einen blauen Schutzwall gebildet hatten. Dahinter standen mindestens fünfzig Reporter und Paparazzi, die mir zuriefen:
    »Anya, guck mal hier!«
    Ohne es zu wollen, drehte ich mich um.
    »Anya, wie war es in Liberty?«
    »Wie Urlaub«, erwiderte ich.
    »Haben Sie vor, die Stadt wegen unrechtmäßiger Freiheitsberaubung zu verklagen?«
    Ich merkte, dass Charles Delacroix den Arm um mich legte. Erneutes Blitzlichtgewitter.
    »Leute, Leute! Miss Balanchine war sehr tapfer und hilfsbereit, aber ich kann mir vorstellen, dass sie jetzt einfach nur nach Hause zu ihrer Familie möchte. Sie dürfen natürlich mit mir sprechen, wenn Sie möchten«, sagte er.
    »Mr. Delacroix, gibt es schon Anhaltspunkte, wie die Schokoladenlieferung kontaminiert wurde?« 
    »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen«, erwiderte Mr. Delacroix. »Ich kann Ihnen nur versichern, dass Mis. Balanchine zu hundert Prozent unschuldig ist.«
    »Mr. Delacroix, ein Wort zum Gesundheitszustand von Staatsanwalt Silverstein: Er wurde seit Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen.«
    »Es ist nicht meine Art, mich zur Gesundheit meines Vorgesetzten zu äußern«, sagte Mr. Delacroix. 
    »Darf man in Ihnen den handelnden Staatsanwalt sehen?«
    Er lachte. »Wenn ich etwas zu verlautbaren habe, werden Sie die Ersten sein, die es erfahren.«
    Während Mr. Delacroix sich mit der

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