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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Presse unterhielt, konnte ich davonhuschen.
    Simon Green hatte einen Wagen dabei. Das war damals ein echter Luxus – so gut wie jeder fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder ging zu Fuß –, und ich wusste diese Geste zu schätzen. Das letzte Mal war ich in einem Privatwagen gefahren, als ich mit Gable den Schulball besuchte, davor zur Beerdigung meines Vaters. »Ich dachte, Sie könnten ein wenig Privatsphäre gebrauchen«, bemerkte Simon Green, als er mir die Tür aufhielt.
    Ich nickte.
    »Es tut mir leid. Ich habe nicht mit so einem Zirkus gerechnet. Beziehungsweise mit diesem Interesse an Ihnen.«
    »Charles Delacroix wollte wahrscheinlich die Fotos«, sagte ich und rutschte auf den Ledersitz.
    »Ja, das kann gut sein«, stimmte Simon Green mir zu. »Obwohl er einen wirklich netten Eindruck machte, als ich die genauen Umstände Ihrer Entlassung heute Morgen am Telefon mit ihm absprach. Nachdem es mir gelungen war, bis zu ihm durchzukommen, heißt das.«
    »Er war so, wie man erwarten konnte«, sagte ich.
    Das Auto fuhr los. Ich lehnte den Kopf gegen die Fensterscheibe.
    »Mr. Kipling bat mich, Ihnen das hier wiederzugeben.« Simon Green drückte mir meine Kette in die Hand.
    »Oh, danke«, sagte ich. Ich legte sie mir um den Hals, doch als ich sie schließen wollte, waren meine Finger zu schwach, um den winzigen Mechanismus zu betätigen.
    »Kommen Sie, ich mache das«, sagte Simon Green. Er hob mein Haar an, seine Fingerspitzen streiften meinen Nacken. »Bitte«, sagte er. »Sie müssen erschöpft sein, Anya. Ich habe etwas zu essen mitgebracht.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Haben Sie vielleicht Wasser?«
    Simon Green reichte mir eine Thermosflasche. Ich trank sie in einem Zug aus. Ein wenig lief mir seitlich aus dem Mund, ich schämte mich wegen der Verschwendung.
    »Sie haben aber großen Durst«, bemerkte er.
    »Ja, ich –« Auf einmal merkte ich, dass ich mich übergeben musste. Ich drückte auf einen Knopf, so dass die Fensterscheibe hinunterfuhr, und schaffte es so gerade, das meiste nach draußen zu befördern. »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hätte nicht so viel auf einmal trinken sollen. Ich bin ein bisschen dehydriert.«
    Simon Green nickte. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sobald alles geregelt ist, werde ich persönlich Beschwerde gegen die schlechte Behandlung einreichen, die Sie in Liberty erfahren haben.«
    An so etwas konnte ich jetzt nicht denken, deshalb wechselte ich das Thema. »Wie kam es eigentlich dazu?«, fragte ich. »Zu meiner Entlassung, meine ich.«
    »Im Laufe des Wochenendes tauchten immer mehr Fälle von Fretoxin-Vergiftung in den Krankenhäusern auf. Ich glaube, am Ende waren es mehrere hundert, und da stand schnell fest, dass die gesamte Lieferung kontaminiert war.«
    Ich nickte.
    »Trotzdem bekam ich keinen von der Staatsanwaltschaft ans Telefon, der mir zuhören wollte. Mr. Kipling ist derjenige, der überall Beziehungen hat – sowohl zu Ihrer Familie als auch zum Gesetzesvollzug. Man misstraute mir. Und obwohl Sie die Tochter von Leonyd Balanchine sind, war niemand in der Balanchine-Organisation bereit zu helfen. Nicht dass sie mir irgendwann nicht doch beigesprungen wären, aber es ging alles nur ganz langsam voran. Der Balanchine-Clan hatte selbst ein Buschfeuer, um das er sich kümmern musste – das Gift war schließlich in seiner Schokolade.«
    »Sie müssen sehr hartnäckig gewesen sein«, sagte ich. »Vielen Dank.«
    »Ehrlich gesagt, gebührt nicht mir allein das Lob, Anya. Es gab einen großen Glücksfall. Sie gehen mit einem Jungen namens Goodwin Delacroix zur Schule, kann das sein?«
    »Ja, Win.«
    »Ich sprach mehrmals mit Ihrer Freundin Scarlet Barber über Ihre Situation. Und ich glaube, es war Scarlet, die sich an Win wandte, der wiederum –«
    »Zu seinem Vater ging. Ja, das leuchtet ein.«
    »Und von da an kam der Stein ins Rollen. Das Problem war Ihr Name, verstehen Sie. Auch wenn Sie natürlich nichts mit der Vergiftung zu tun hatten, tragen Sie doch den Namen Balanchine, und ich denke, die Staatsanwaltschaft wollte nur ungern eine Balanchine mitten in dem Aufruhr entlassen. Es brauchte diese persönliche Beziehung –«
    Ich gähnte. »Entschuldigung.«
    »Völlig in Ordnung, Anya. Sie sind müde. Ich habe eh nie verstanden, was am Gähnen so unhöflich sein soll.«
    »Ich bin gar nicht müde«, beharrte ich. »Ich bin nur …« Die Augenlider fielen mir zu. »Ich muss mich bei Scarlet bedanken, wenn ich wieder zur Schule gehe …

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