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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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ausgehen könne.
    »Das ist ja furchtbar«, sagte Scarlet.
    »Ich weiß.«
    »Es ist wirklich furchtbar«, wiederholte sie. »Aber ich sehe nicht ein, was das ändern soll.«
    »Das ist seine Familie«, sagte ich, »und die ist wichtiger als alles andere.«
    »Ja, aber es ist Wins Familie, wenn er also seinen Vater nerven will, ist das seine Sache, findest du nicht?«, meinte Scarlet.
    »Kann sein«, sagte ich. »Aber wenn man drüber nachdenkt, dann ist es ja nicht so, dass ich Win heiraten will oder überhaupt in ihn verliebt bin, also was soll’s? Es gibt Abermillionen Menschen auf der Welt, warum sich also mit dem einen abgeben, dessen Vater großen Einfluss hat und mich auf gar keinen Fall will?«
    Scarlet dachte darüber nach. »Weil es vielleicht Spaß macht. Und er könnte dich glücklich machen. Was schadet es also, wenn es eh nicht lange hält?« Scarlet gab mir einen Kuss auf die Wange.
    Wie ich vor ungefähr hundert Seiten schon mal erwähnt habe, ist Scarlet eine Romantikerin. Daddy sagte immer, wenn man jemanden als romantisch bezeichnete, hieß das nichts anderes, als dass er sich nicht um die Folgen seines Tuns kümmerte.
    »Scarlet, ich kann nicht«, sagte ich. »Ich würde gerne, aber es geht nicht. Ich muss auch an Natty, Nana und Leo denken. Stell dir vor, Charles Delacroix beschließt dann, sich an mir zu rächen.«
    »Rächen! Das ist ja albern und krank.«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein. Ich glaube, Wins Vater ist ziemlich … Na, ehrgeizig nennt man das wohl. Es wäre durchaus vorstellbar, dass er meiner Familie die Behörden auf den Hals hetzt, um mich aus dem Weg zu räumen.«
    »Das ist doch verrückt, Annie«, sagte Scarlet. »Nie im Leben würde so was passieren.«
    »Hör zu, ich schildere dir ein Szenario, das ich mir vorstellen kann. Charles Delacroix weiß, dass Natty und ich im Moment keinen richtigen gesetzlichen Vormund haben. Nana geht es nicht gut. Sie ist wirklich durch den Wind, Scar. Leo ist … er ist, wie er ist. Was ist, wenn Mr. Delacroix uns das Jugendamt auf den Hals hetzt? Was ist, wenn ich wieder in Liberty oder einer ähnlichen Einrichtung lande, und zwar für immer? Und Natty könnte auch dort landen. Ich will damit sagen: Das ist mir Win einfach nicht wert.«
    Scarlets Augen füllten sich mit Tränen.
    »Warum weinst du?«, fragte ich.
    Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht, was mir fast schon komisch vorkam. »Wie dieser Junge dich ansieht! Und er weiß ja nicht mal, warum du … wenn ich es ihm nur sagen könnte!«
    »Scarlet, komm nicht auf falsche Gedanken!«
    »Ich würde dein Vertrauen nie missbrauchen. Niemals!« Sie putzte sich die Nase am Ärmel. »Das ist alles so tragisch.«
    »Das ist nicht tragisch«, versicherte ich ihr. »Das ist gar nichts. Tragisch ist, wenn am Ende einer tot ist. Alles andere sind nur Huckel in der Straße.« Nur fürs Protokoll: Das hat Daddy immer gesagt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Shakespeare ihm zugestimmt hätte.

XII.
    Ich lenke ein und gebe eine angemessene Hexe
    Obwohl wir beide keine Begleitung hatten, wollte Scarlet unbedingt zum Herbstball, und somit gingen wir hin. Ich wäre lieber zu Hause geblieben, aber das war nun mal der Preis der Freundschaft – auch das hatte Daddy gesagt.
    Das Thema des Abends war »Berühmte Liebespaare« oder so ein Blödsinn. An die Wände der Turnhalle wurden Bilder von vermeintlich bedeutenden historischen Liebespaaren geworfen. Romeo und Julia, Antonius und Kleopatra, Ron und Hermine, Bonnie und Clyde und so weiter. Ich glaube, die meisten von denen hatten kein besonders gutes Ende genommen, aber ich vermute, diese Ironie war den Organisatoren des Festes völlig entgangen.
    Ich wunderte mich nicht, als ich sah, dass Win mit Alison Wheeler kam. Ich war zwar nicht mit Alison befreundet, aber wir verstanden uns ganz gut und gingen schon seit Jahren zur selben Schule. Sie war hübsch, wenn nicht sogar schön, hatte eine schlanke Figur und lange rote Haare wie aus dem Märchenbuch. Ein Zeichen für seinen guten Geschmack, und ich war froh zu sehen, dass er so schnell über mich hinweggekommen war. Ich hatte übrigens keine andere Einladung zum Herbstball erhalten. Ich nahm an, eventuell interessierte Jungen hatten verständlicherweise Angst, wie Gable Arsley zu enden.
    Der Abend war schon zur Hälfte vorbei, da nahm Wins Band Aufstellung. (Sie sollte nur spielen, wenn der DJ Pause machte.) Ich fragte Scarlet, ob sie gehen wolle.
    »Nein, das wäre unhöflich«, sagte

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