Bitterzart
Zimmer und stieß Gables Stuhl von mir fort.
»Lass sie in Ruhe!«, rief er.
Er drohte Gable mit der Faust.
»Nicht, du tust ihm noch weh«, sagte ich zu Win.
Er ließ den Arm sinken.
»Wer soll das sein, zum Teufel?«, fragte Gable.
»Mein Freund«, erwiderte ich.
»Bestimmt die Sorte Freund, die du auf den Mund küsst«, erwiderte er. »Ja, jetzt leuchtet mir einiges ein. Wie heißt denn dein Freund? Er kommt mir bekannt vor.«
Win und ich tauschten einen Blick aus.
»Ich heiße Win, aber du kannst dir merken, dass ich der Freund von Annie bin, der es nicht mag, wenn sich ein Mann einer Frau aufdrängt.«
Dann gingen wir.
Ich sprach erst wieder mit Win, als wir im Zug nach Hause saßen.
»Du hättest da nicht einfach so reinplatzen sollen«, sagte ich.
Win zuckte mit den Schultern.
»Ich hatte alles unter Kontrolle«, versicherte ich ihm.
»Ich weiß, meine Kleine. Du bist das toughste Mädchen, das ich kenne.«
»Meine Kleine? Wo hast du das denn her?«
»Keine Ahnung. Hatte gerade das Bedürfnis, dich so zu nennen. Stört es dich?«
Ich dachte darüber nach. »Ist ein bisschen gönnerhaft, aber nein, ich glaube, nicht.« Ich legte den Kopf in seine Armbeuge. »Hast du die ganze Zeit vor der Tür gestanden?«
»Ja, muss ich zugeben.«
»Gable wird dahinterkommen, wer du bist, und wenn er es weiß, werden alle über uns Bescheid wissen«, sagte ich.
»Vielleicht ist das ja gar nicht so schlimm«, meinte Win. »Mir wär’s egal, wenn’s die anderen wüssten. Außerdem könnte Gable auf die Idee kommen, die Information für sich zu behalten.«
»Warum sollte er?«
»Na ja … um uns zu erpressen oder so?«
»Hm, vielleicht.« Aber ich wusste, dass Erpressung nicht Gable Arsleys Stil war. Dazu brauchte man Geduld und Überlegung. Gable bestand nur aus Impulsen.
Als wir in New York ankamen, warteten Paparazzi auf uns. »He, ihr beiden! Schaut mal her! Lächeln!«
»Schätze, Gable hat es schon herausbekommen«, flüsterte Win mir zu.
»Anya, ist das Ihr neuer Freund?«
»Das ist ein Schulkamerad«, rief ich. »Wir sind ein Laborteam.«
»Na, klar!«
Am nächsten Morgen waren die Fotos überall. Eins zeigte uns beim Küssen, als wir aus dem Zug stiegen. Die Schlagzeilen lauteten ungefähr so: »Verbotene Liebe? Mafia-Prinzessin liebt Staatsanwalts-Sohn.«
Am Nachmittag rief Win mich an.
»Willst du mit mir Schluss machen?«, fragte ich.
»Nein«, erwiderte er, leicht belustigt. »Mein Vater möchte dich heute Abend zum Essen einladen.«
»Ist er sauer?«
»Er hat mich nie gebeten, mich nicht mit dir zu treffen. Er hat nur mir dir gesprochen, schon vergessen?«
»Soll das heißen, er ist sauer auf mich? Dann komme ich nämlich lieber nicht, danke.«
»Hast du Angst? Sieht dir gar nicht ähnlich.«
Ich fragte ihn, wann ich da sein solle.
»Um sieben«, erwiderte Win. »Ich würde dich ja abholen, wenn du nichts gegen einen neuen Fototermin hast«, scherzte er.
»Warum klingst du eigentlich so verdammt glücklich?«
»Hm. Wahrscheinlich bin ich irgendwie froh, weil jetzt alle wissen, dass du meine Freundin bist.«
»Was soll ich anziehen?«, fragte ich barsch.
»Ich hab ja eine Vorliebe für dein rotes Kleid«, sagte er.
Ich zog mein treues rotes Kleid an und fuhr mit dem Bus zu Wins Familie. Das Apartment war deutlich besser, als man es sich vom Gehalt eines stellvertretenden Staatsanwalts (oder auch leitenden Staatsanwalts) leisten konnte. Entweder hatte Wins Mutter mit ihrem Gemüse ein Vermögen gemacht (möglich), oder das Geld kam aus der Familie.
Charles Delacroix öffnete die Tür, noch bevor ich auf die Klingel drücken konnte. Er hatte auf mich gewartet. In dieser Wohnung wirkte er bedeutend kleiner als damals in Liberty und auf der Fähre. Es schien, als besäße er die Fähigkeit, sich je nach Erfordernis der Situation verkleinern oder vergrößern zu können. »Du siehst gut aus, Anya. Viel besser als bei unserer letzten Begegnung.«
»Ja. Mir geht’s auch besser«, sagte ich.
»Win ist mit meiner Frau unterwegs, sie besorgen irgendeine unverzichtbare Zutat fürs Abendessen. Komm doch mit in mein Arbeitszimmer. Ich darf dich doch duzen, oder? Unterhalten wir uns so lange.«
Ich folgte ihm in ein Büro mit bordeauxroten Wänden, Teppichen und Mahagoniregalen, die mit Büchern gefüllt waren.
»Sammeln Sie Bücher?«
Charles Delacroix schüttelte den Kopf. »Der Vater meiner Frau hat gesammelt.«
Damit war das geklärt. Wins Mutter war diejenige mit dem
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