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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Tätowierung an meinem Knöchel. Wir waren in meinem Zimmer, und Wins Lippen liebkosten sie. Er sagte, sie wäre »irgendwie süß«, dann sang er mir ein Lied von einer tätowierten Dame vor.

XIV.
    Ich bin gezwungen, die andere Wange hinzuhalten
    In den gesamten Winterferien hatte ich mich nicht mit Scarlet getroffen oder mit ihr gesprochen, wahrscheinlich der längste Abschnitt in der Geschichte unserer Freundschaft. Ich sah sie erst beim Fechten am ersten Schultag wieder. Beim Aufwärmen sprach sie mich nicht auf meine Beziehung zu Win an, sie redete nämlich so gut wie gar nicht mit mir. Ich merkte, dass sie sauer war und ich Wiedergutmachung leisten musste.
    »Und?«, scherzte ich, als wir uns zu Paaren zusammentaten. »Hast du schon gehört, dass ich mir einen Typen geangelt habe?«
    »Ja. Ich hatte das Gefühl, dich ewig nicht gesehen zu haben, aber jetzt weiß ich wenigstens, warum«, sagte Scarlet und stach mit ihrem Degen nach mir. »Natürlich hätte ich es lieber nicht gelesen, sondern von dir erfahren. Waren übrigens schöne Fotos.« Wieder griff sie mich an, ihre Attacken hatten mehr Gewicht als sonst bei unseren Übungskämpfen.
    »Doppeltreffer!«, rief ich.
    »Ja, und?«
    »Dann bekommen wir beide einen Punkt«, erklärte ich ihr.
    »Aha? Woher weißt du das denn?« Scarlet war atemlos.
    »Weil wir seit zweieinhalb Jahren fechten.«
    Sie lachte. »Ich muss langsam wirklich mal ein bisschen über Fechten lernen.« Sie senkte ihren Degen. »Jetzt mal im Ernst: Warum hast du’s mir nicht erzählt?«
    »Weil du mit dem Theaterstück und deinem neuen Freund beschäftigt warst –«
    »Das ist vorbei«, sagte Scarlet. »Das war nur für die Dauer des Stücks. Sagte er zumindest, als er Schluss machte. So ist das anscheinend am Theater.«
    Ich sagte ihr, dass es mir leidtäte. »Du hättest mich anrufen sollen«, sagte ich.
    »Ich wollte ja, aber da hatte ich schon von dir und Win erfahren und war sauer, deshalb hab ich mich nicht gemeldet. Annie, ich war nicht so stark beschäftigt, dass ich nicht von dir und Win hätte hören wollen. Wir haben jeden Tag zusammen im Speisesaal gesessen, jeden zweiten Tag haben wir uns bei den Proben gesehen, wir sind jeden Tag gemeinsam mit dem Bus nach Hause gefahren, wir –«
    »Ich weiß. Es tut mir leid. Ehrlich gesagt, hatte ich entschieden, dass ich es niemandem erzählen wollte. Ich dachte, das würde es einfacher machen.«
    »Ich will darauf hinaus, dass du mich jedes Mal angelogen hast, wenn wir uns gesehen haben. Zum Beispiel damals vor der Abstellkammer. Ich hab euch geglaubt, und ihr habt mich zum Narren gehalten. Das würde ich niemals mit dir machen. Du bist meine beste Freundin.«
    Sie hatte recht. Ich hätte es ihr erzählen sollen. »Es tut mir wirklich leid.«
    Scarlet seufzte. »Entschuldigung angenommen«, sagte sie.

    Als wir unsere Fechtkleidung auszogen, sagte Scarlet: »Darf ich noch was sagen? Ich weiß, dass du es schwer hast, viel schwerer, als ich es je gehabt habe, selbst wenn man bedenkt, dass ich, sosehr ich mich auch anstrenge, offenbar keinen Jungen halten kann. Aber es ist auch nicht das Einfachste der Welt, deine beste Freundin zu sein. Und ich glaube, dass ich in vielen schlechten Zeiten für dich da gewesen bin, oder?«
    Ich nickte.
    »Deshalb würde ich es auch gerne erfahren, wenn dir mal was Gutes widerfährt. Ich wäre auch gerne mal bei den glücklichen Zeiten dabei.«
    Scarlets Worte ließen mich vor Scham rot anlaufen. Ich hatte mich egoistisch verhalten.

    Als wir zum Essen gingen, wartete Win bereits an unserem Tisch. »Gable Arsley ist wieder da«, sagte er. Scarlet und ich schauten uns nach ihm um. Wir waren nicht die Einzigen.
    Gable wartete in seinem Rollstuhl an der Essensausgabe, den Rucksack über einen der Griffe geschlungen. An der Hand mit den verstümmelten Fingern trug er einen Handschuh, eine Baseballkappe hatte er sich tief in sein noch nicht verheiltes Gesicht gezogen. Ich beobachtete, dass Gable Mühe hatte, sein Essen aufs Tablett zu bekommen, da er nur eine Hand benutzte und der Tresen zu hoch für ihn war. »Warum hilft ihm denn keiner?«, fragte Win.
    »Weil er früher andere schikaniert hat«, erklärte ich.
    »Weil er nie nett zu irgendjemandem war«, fügte Scarlet hinzu. »Und ein Gentleman war er auch nicht gerade.«
    »Ich würde ja hingehen, aber nach unserem letzten Zusammenstoß glaube ich nicht, dass er mich sehen will«, bemerkte Win.
    »Warum solltest du das tun?«, fragte ich. »Er hat die

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