Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
Vom Netzwerk:
Geld. Auf Mr. Delacroix’ Bildschirm war einer der Artikel über Win und mich zu sehen.
    »Um ehrlich zu sein, habe ich das so arrangiert«, gab Mr. Delacroix zu. »Ich wollte, dass wir uns unter vier Augen sprechen, ich komme also sofort zur Sache. Win sagt, er würde dich lieben. Stimmt das?«
    Ich nickte.
    »Und du liebst ihn auch? Oder bist du zu praktisch veranlagt für so ein Gefühl?«
    »Wir kennen uns noch nicht sehr lange«, begann ich, »aber ich glaube schon.«
    Mit seinen knochigen, glatten Fingern rieb sich Charles Delacroix den Hals. »Na gut. Dann ist es halt so.« Er seufzte. Es sah aus, als wollte er weitersprechen, doch er schwieg. Stattdessen schenkte er sich aus einer Kristallkaraffe einen Drink ein.
    »Ist das alles?«, fragte ich.
    »Wie unhöflich von mir. Möchtest du auch etwas trinken?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich meinte, ob das alles ist, was Sie zu dem Thema zu sagen haben?«
    »Hör zu, Anya, ich habe dir davon abgeraten, dich mit Win einzulassen, und es hätte mir meine Arbeit wahrscheinlich erleichtert, wenn du dich entsprechend verhalten hättest. Aber ich bin kein Unmensch. Wenn mein Sohn sich verliebt hat …« Er zuckte mit den Schultern. »Dann ist es halt so. Ich mag dich, Anya. Und ich wäre der schlimmste Heuchler, wenn ich dir deine Abstammung vorwerfen würde. Keiner von uns kann sich seine Verwandtschaft aussuchen. Wenn du allerdings auf die Idee kämst, Win zu heiraten, wäre das was anderes. Meine Berater sagen mir, dass mein Wahlkampf – mein theoretischer Wahlkampf, meine ich, da ist wirklich noch nichts entschieden – es verkraftet, wenn ihr zusammen seid, aber bei einer Heirat waren sie sich nicht so sicher.«
    »Ich verspreche Ihnen, Mr. Delacroix, dass ich nicht vorhabe, in nächster Zeit irgendjemanden zu heiraten.«
    »Gut!« Er lachte, dann wurde seine Miene feierlich. »Hat Win schon mal von seiner älteren Schwester Alexa erzählt? Sie starb, als sie ungefähr in deinem Alter war. Ich spreche nicht gerne darüber.«
    Ich nickte. Über etwas nicht sprechen zu wollen, konnte ich gut nachvollziehen.
    »Worauf ich hinauswill: Auch wenn ich damals auf der Fähre etwas anderes zu dir gesagt habe, Anya, möchte ich, dass mein einziges lebendes Kind glücklich ist. Aber ich will auch, dass Win in Sicherheit ist. Ich bitte dich nur um eins: Wenn du jemals das Gefühl haben solltest, mein Sohn sei aufgrund deiner familiären Verbindungen irgendwie in Gefahr, komm bitte sofort zu mir. Verstehen wir uns?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Gut. Und falls du jemals gegen das Gesetz verstoßen solltest, werde ich dich juristisch belangen müssen, und zwar mit allen Mitteln, dir mein Amt mir zur Verfügung stellt. Ich darf dich nicht in irgendeiner Weise begünstigen.« Er sagte das so freundlich, wie man so etwas nur sagen kann, deshalb versicherte ich ihm, ich hätte verstanden.
    Win und seine Mutter kehrten heim. »Charlie!«, rief eine Frauenstimme.
    »Wir sind im Arbeitszimmer!«, rief Mr. Delacroix zurück.
    Die beiden kamen herein. Wins Mutter hatte langes, pechschwarzes Haar, hellgrüne Augen und war ungefähr so groß und ähnlich gebaut wie meine Mutter. »Ich bin Jane«, sagte sie. »Du musst Anya sein. Mein Gott, du bist aber hübsch.«
    »Sie …« Ich musste schlucken, weil ich das Gefühl hatte, jeden Moment in Tränen auszubrechen. »Sie erinnern mich an jemanden, den ich kannte.«
    »Oh. Na, da muss ich wohl fragen, ob es jemand war, den du mochtest oder nicht, bevor ich mich bedanke.« Sie lachte.
    »Ich mochte sie«, sagte ich. »Und sie fehlt mir sehr.« Ich weiß, dass das etwas sonderbar klang, aber ich wollte ihr nicht verraten, dass sie mich an meine Mutter erinnerte.
    Nach dem Essen brachte mich Win nach Hause. Die Paparazzi waren entweder heimgegangen, oder die Story war ihnen einfach zu langweilig geworden. Win wollte wissen, ob sein Vater mich bedroht hätte. Ich verneinte. »Hauptsächlich wollte er sich vergewissern, dass ich dich nicht umbringen lasse.«
    »Und was hat du dazu gesagt?«, fragte Win.
    »Dass ich versuchen würde, es zu verhindern, aber nichts garantieren könne.«
    Dann waren wir in meinem Zimmer.
    Wir schliefen nicht miteinander, noch nicht mal ansatzweise, doch ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass mir der Gedanke nicht gekommen wäre. Ich spürte, dass sich mein Körper für ihn öffnete wie eine Rose im Gewächshaus.
    Aber ich konnte nicht. Ich dachte an meine Eltern im Himmel oder in der Hölle, ich dachte an Gott. Daddy

Weitere Kostenlose Bücher