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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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gerne und oft daran. Aber ich werde dich zu nichts zwingen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen um dich, Win, sondern um mich!« Es war mir peinlich, darüber zu sprechen, wie groß meine Angst davor war, die Kontrolle über mich zu verlieren, wenn ich in seiner Nähe war. Ich fühlte mich wild, animalisch und leidenschaftlich, ganz anders als sonst. Das verstörte und beschämte mich. Seit Monaten war ich nicht mehr beichten gewesen.
    »Ich bin keine Jungfrau mehr, Annie. Meinst du, ich muss deswegen in die Hölle?«, fragte Win.
    »Nein, es ist komplizierter.«
    »Dann erkläre es mir.«
    »Du wirst es albern finden. Du wirst mich für rückständig halten, für abergläubisch.«
    »Nein, das könnte ich niemals denken. Ich liebe dich, Annie.«
    Ich schaute ihn an, und auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er wirklich wusste, was Liebe war, beschloss ich, ihm zu vertrauen. »Als mein Vater starb, habe ich Gott versprochen, ein gutes Mädchen zu sein, wenn er uns dafür alle beschützen würde. Ich wollte mehr als gut sein. Gläubig. Ich wollte Gott ehren. Ich wollte mich selbst und alles andere unter Kontrolle haben.«
    »Du bist ein gutes Mädchen, Annie. Niemand kann behaupten, dass du kein guter Mensch bist«, sagte Win. »Du bist so gut wie perfekt.«
    »Nein, ich bin alles andere als perfekt. Ständig verliere ich die Fassung. Ich denke Schlechtes über so gut wie jeden, den ich kenne. Aber ich tue mein Bestes. Und das könnte ich nicht mehr von mir sagen, wenn ich …«
    Er nickte. »Verstehe.« Er hatte noch immer den abgetrockneten Topf in der Hand, den er mir nun reichte. Sein Lächeln war etwas schief. »Ich werde auf keinen Fall mit dir schlafen, ganz egal wie sehr du darum bettelst«, scherzte er.
    »Jetzt machst du dich über mich lustig.«
    »Nein, das würde ich niemals tun«, erwiderte er. »Ich nehme dich und alles, was mit dir zu tun hat, sehr ernst.«
    »Jetzt bist du aber nicht ernst.«
    »Ich schwöre dir, ich meine es todernst. Versuch doch, jetzt und hier mit mir zu schlafen. Versuch es! Selbst wenn du dich nackt ausziehen würdest, würde ich dich von mir weisen, als ständest du in Flammen.« Seine Stimme klang immer noch heiter. »Von jetzt an sind wir wie in diesen alten Büchern. Du darfst mich küssen, aber das ist auch alles.«
    »Ich glaube nicht, dass ich dich gerade mag«, sagte ich.
    »Gut. Dann funktioniert mein Plan.«
    Win musste jetzt wirklich nach Hause, ich brachte ihn zur Tür.
    Ich beugte mich vor, um ihn zu küssen, doch er entzog sich mir und reichte mir die Hand. »Von jetzt an nur noch auf die Hand«, sagte er.
    »Du bist wirklich total albern.«
    Ich küsste seine Hand, er küsste meine. Dann zog er mich an sich, so dass seine Lippen an meinem rechten Ohr waren. »Weißt du, wie wir das alles umgehen könnten?«, flüsterte er. »Wir könnten wirklich heiraten.«
    »Hör auf! Das ist absurd, und ich glaube, du meinst es nicht mal ernst. Außerdem würde ich dich niemals heiraten«, sagte ich. »Ich bin sechzehn, und du bist unmöglich, du kannst nicht aufhören, solche verdrehten Dinge zu sagen.«
    »Stimmt«, gab er zu. Er küsste mich auf die Lippen, dann schloss er die Tür.

    Ich verabredete mit Imogen, dass sie bei Nana blieb, damit wir zur Hochzeit fahren konnten.
    Win kam zu uns, so dass wir alle zusammen den Zug nahmen. Bevor wir aufbrachen, fragte ich ihn, ob er etwas dagegen hätte, meine Großmutter kennenzulernen. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt völlig hin und weg von Win war, fühlte ich mich befangen, wenn ich Nana jemandem vorstellte. Sie verhielt sich, gelinde gesagt, so unberechenbar, und auch wenn sich meine Familie an ihre äußere Erscheinung gewöhnt hatte (bettlägerig, fast kahl, blutunterlaufene Augen, gelblich-grüne Haut, fauliger Geruch), wirkte sie doch mehr als nur leicht gruselig auf Menschen, die sie nicht kannten. Ich schämte mich nicht für sie, sondern wollte sie beschützen. Ich wollte keine fremden Blicke auf ihr. Daher warnte ich Win vor, er sollte wissen, was ihn erwartete.
    Ich klopfte an die Tür. »Komm rein, Anya!«, flüsterte Imogen. »Ich soll sie wecken, wenn ihr aufbrecht. Aufwachen, Galina, Annie ist hier!«
    Meine Großmutter erwachte. Zuerst hustete sie, und Imogen schob ihr einen Strohhalm zwischen die Lippen. Ich warf Win einen Blick zu, um zu prüfen, ob ihn die arme Nana abschreckte, doch seine Augen verrieten nichts. Wenn überhaupt, waren sie so freundlich wie immer und leicht besorgt.
    »Hallo, Nana«, sagte ich.

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