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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Hälfte hinter uns gebracht, als in mir ein unerklärliches, fast schmerzliches Bedürfnis aufkam, in unser Apartment zu gelangen. Ich beschleunigte meine Schritte.
    »Renn doch nicht so!«, rief Natty. »Du gehst zu schnell für uns.«
    Ich sah mich über die Schulter um und schlug vor zu laufen. Wir hatten gerade die Museumsmeile mit ihrem altertümlichen Namen erreicht, von der es am Park entlang zu uns nach Hause fast nur geradeaus ging.
    »Komm zurück, Annie«, sagte Leo. »Es ist unfair, wenn du Vorsprung hast.«
    Ich ging zurück zu dem Punkt, wo Natty und Leo standen.
    »Auf die Plätze«, sagte ich, »fertig, los!«
    Zu dritt stürzten wir los. Leo führte, Natty dicht hinter ihm. Ich war die Letzte, doch das störte mich nicht. So konnte ich meine Geschwister besser im Auge behalten.
    In weniger als zehn Minuten waren wir zu Hause, wenn auch keuchend und mit rotem Kopf. Die Anstrengung hatte meine innere Unruhe abgebaut.
    »Nehmen wir die Treppe?«, scherzte mein Bruder. 
    »Guter Witz, Leo«, gab ich zurück und drückte auf den Fahrstuhlknopf.
    Im Gegensatz zu der milden Luft draußen war es ungewöhnlich kalt in der Wohnung. Aus dem Wohnzimmer zog es, deshalb ging ich hinein, um die Fenster zu schließen. Dort fand ich Imogen auf dem Sofa sitzend vor, und meine Unruhe kehrte zurück.
    »Irgendwas stimmt nicht«, bemerkte ich.
    Imogen schüttelte den Kopf. »Wo sind Natty und Leo?«
    »In ihren Zimmern«, erwiderte ich.
    »Setz dich!«, sagte sie, und ich wusste, dass diese Aufforderung nur eines bedeuten konnte.
    »Ich bleibe lieber stehen«, beharrte ich. »Wenn du mir sagen willst, dass Nana gestorben ist, bleibe ich lieber stehen.«
    »Sie ist gestern Nacht gestorben. Es gab einen Stromausfall, der Notstromgenerator ist aus irgendeinem Grund nicht angesprungen. Als der Strom wieder lief, war es zu spät. Ich bin mir sicher, dass sie nicht sehr gelitten hat.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte ich.
    »Woher will ich was wissen?«, gab sie zurück.
    »Dass sie nicht viel gelitten hat! Wie kannst du das wissen?«
    Imogen schwieg.
    »Das weißt du gar nicht! Vielleicht war es furchtbar für sie! Vielleicht ist sie erstickt, hat gekeucht, ihre Haut brannte, und sie hatte das Gefühl, die Augen würden ihr im Kopf platzen, und du hast geschlafen! Vielleicht hat sie gefleht, dass es vorbeigeht …«
    Imogen legte mir die Hand auf den Arm. »Bitte, Annie, lass das.«
    »Fass mich nicht an!« Ich entzog ihr meinen Arm und spürte, wie die alte Wut in mir aufstieg. Sie passte zu mir wie ein maßgeschneiderter Anzug. »Deine einzige Aufgabe war sicherzustellen, dass diese Apparate durchgängig laufen! Du hast elendig versagt! Du bist eine Versagerin, eine Vollidiotin, eine Mörderin!«
    »Nein, Annie, ganz bestimmt nicht«, protestierte Imogen.
    Leo kam herein. »Annie, warum schreist du Imogen an?«, fragte er.
    Ich hatte keine Lust, mich um meinen Bruder zu kümmern. Ich war im Wut-Modus. »Hat dir vielleicht jemand Geld gegeben, damit du Nanas Stecker rausziehst?«
    Imogen begann zu weinen. »Annie, warum sollte ich so was tun?«
    »Woher soll ich das wissen? Für Geld tun Menschen alles Mögliche. Und meine Familie hat viele Feinde.«
    »Wie kannst du nur so was zu mir sagen? Ich habe Galina genauso geliebt wie dich und deine ganze Familie. Ihre Zeit war gekommen. Das hat sie mir selbst gesagt. Ich weiß, dass sie es auch zu dir gesagt hat. Zumindest hat sie es versucht.«
    »Nana ist tot?«, fragte Leo mit Panik in der Stimme. »Hast du gerade gesagt, Nana ist tot?«
    »Ja«, sagte ich. »Sie ist gestern Nacht gestorben. Imogen hat sie sterben lassen.«
    »Das ist nicht wahr«, widersprach Imogen.
    »Raus aus unserem Haus!«, befahl ich. »Und komm nie wieder zurück!«
    »Bitte, Anya! Ich möchte dir helfen. Du musst dich um die Bestattung ihrer Leiche kümmern. Das solltest du nicht allein tun müssen«, flehte Imogen.
    »Hau einfach nur ab!«, sagte ich.
    Sie stand auf, rührte sich aber nicht.
    »Jetzt hau ab!«
    Imogen nickte. »Ihre Leiche liegt noch im Bett«, sagte sie, bevor sie endgültig ging.
    Leo schluchzte leise vor sich hin, ich ging zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nicht weinen, Leo.«
    »Ich weine, weil ich traurig bin. Nicht weil ich schwach oder dumm bin.«
    »Natürlich. Tut mir leid.«
    Er weinte weiter, ich schwieg. Ehrlich gesagt, spürte ich nichts außer meinem glühenden Zorn und einer gewissen Besorgnis, wie meine nächsten Schritte aussehen würden.

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