Bizarre Beziehungen - V 1.0
meine Liebe und Treue einer Kopie erklärt hatte. Nicht dir.«
»Stimmt«, flüsterte der alte Mann. »Du hast dich der Kopie deines Vaters gegenüber wie ein wehleidiger Hurensohn benommen. Nein, Clive«, wiederholte er, »ich war niemals im Dungeon.«
»Aber ich war da.« Die Worte wurden von einer anderen Stimme gesprochen, einer Stimme, die auf schockierende Weise in die Unterhaltung zwischen Clive und seinem Vater einbrach. So verblüfft war er vom Anblick des Vaters gewesen, und so sehr hatten ihn die Anschuldigungen des alten Mannes gequält, daß er den anderen Mann übersehen hatte.
Der zweite Mann sah aus wie eine ältere Version von Clive. Das Haar war länger, durch und durch stahlgrau, und der schwere Schnauzbart war von der gleichen metallischen Tönung. Das Gesicht war von Dekaden von Sonnenlicht gegerbt und zerfurcht von langen Jahren der Strapazen. Unter der Uniformjacke zeigte sich ein leichter Bauch, aber alles in allem gab er den Anschein eines Mannes, der für seine Jahre in ausgezeichneter körperlicher Verfassung war. Die Uniform, die er trug, erinnerte ein wenig an die von Clive, aber der Schnitt war der einer anderen Einheit, und die Rangabzeichen deuteten an, daß der Träger den Rang eines Generalleutnants bekleidete.
»Neville?«
»In der Tat.«
»Aber du ... Du bist gealtert.. «
»Ich bin ganz normal gealtert. Wie du wurde ich im Jahr unseres Herrn 1834 geboren. Jetzt schreiben wir das Jahr 1896. Sehe ich nicht aus wie ein Mann von zweiundsechzig Jahren?«
»So siehst du wahrhaftig aus. Du bist bemerkenswert gut in Form für einen Mann von zweiundsechzig Jahren. Aber ...« Die Worte ließen ihn im Stich. Statt dessen machte er eine Geste mit den Händen, womit er den Unterschied zwischen der eigenen vergleichsweisen Jugend und dem fortgeschrittenen Alter des Bruders andeuten wollte.
»Natürlich, Bruder. Du bist aus dem Jahr 1871 hierhergebracht worden. Du bist noch immer siebenunddreißig Jahre alt. Und dein charmanter Nachkömmling, wenn ich so sagen darf ...«
»Du kennst Annabelle?«
»Warst du bei unserem ersten Zusammentreffen nicht dabei, Bruder? Oder haben dich deine Begegnungen mit den Kopien durcheinandergebracht und du bezweifelst, daß es sich wirklich um mich handelte - oder um sie? Wir waren beide wir selbst, echt bis auf die Haut.« Er lächelte vieldeutig. »Oh, ich kenne sie sehr gut, wirklich, Bruder!«
Clive ballte die Fäuste und wollte sich auf den Bruder werfen, ehe er sich zurückhielt. »Nur unser Altersunterschied hält mich davon ab, dir eine Lektion zu erteilen, Neville! Sei vorsichtig damit, wie du von meiner Enkelin sprichst! Wenn schon nicht aus Gründen des allgemeinen Anstands, dann wenigstens deshalb, weil sie deine eigene Großnichte ist.«
»Aber, Bruder - was sagte ich denn dermaßen Beleidigendes? Miß Leigh ist eine charmante junge Person. Einige der Gebräuche und Gewohnheiten ihrer Generation unterscheiden sich etwas von den unseren, natürlich. Einige davon mögen sogar schockierend sein. Aber ich versichere dir, ich empfinde ihr gegenüber lediglich wie ein Onkel.«
Der alte Mann war in seinen Stuhl gefallen und brachte es jetzt fertig, die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. »Zum Geschäft, zum Geschäft, Neville und Clive!«
Neville zog sich einen Stuhl heran, Clive ebenfalls.
»Ich bin ein sehr alter Mann«, sagte Baron Tewkesbury zitternd. »Ich habe nicht mehr lange zu leben, und wenn ich sterbe, werden der Titel des Barons und alle seine Vergünstigungen und Verpflichtungen an einen von euch über gehen. Auf dich, Neville, wenn du mich überlebst.«
»Das beabsichtige ich zu tun, Sir.«
Der Baron wischte Nevilles Antwort mit einer Verrenkung des Kopfs beiseite. »Auf dich, Clive, wenn Neville mich nicht überlebt. Und wenn du dich von allen deinen verräterischen Handlungen und Verbindungen lossagst.«
»Aber Vater - du klagst mich weiterhin des Verrats an, und ich bin völlig unschuldig!«
»Hast du dich nicht auf der achten Ebene des Dungeon mit den Ren verbündet? Ist das nicht Verrat genug?«
»Vater - ich betrat das Dungeon unfreiwillig und nur weil Neville verschwunden war, und ich versuchte, ihm auf der Spur zu bleiben. Was ich auch immer im Dungeon tat, auf welcher Ebene auch immer, wurde aus Treue zu den Folliots getan - und aus der Notwendigkeit zu überleben.«
Lord Tewkesbury sah Clive an. Im Raum herrschte Schweigen. Die Atmosphäre war gespannt, als Generalleutnant Sir Neville Folliot und Sir Arthur
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