Bizarre Beziehungen - V 1.0
der Zweck des Dungeon, Neville?«
»Du kannst dir denken, daß die Ren und die Chaffri nichts weiter als zwei der unzähligen über unser Universum verstreuten Rassen sind, die - wenigstens in einem poetischen Sinn, um deine Art der Debatte zu übernehmen - die Sterne bewohnen. Davon existieren endlose Varianten. Einige sind primitiver als der nackte Buschmann in den abgelegensten Regionen unserer Erde. Andere sind so fortgeschritten, daß sie Faraday oder Herschel aussehen lassen wie kleine Kinder, die in Pfützen herumsuchen und sich über die Würmer wundern, die sie aus dem Matsch graben.«
»Dann sind die Ren also eine derartige Sternenrasse?«
Neville nickte.
»Ich bin nicht so überrascht davon, dies zu hören, wie du vielleicht denkst, Bruder. Im Dungeon bin ich Wesen aus vielen Welten begegnet. Der getreue hundeähnliche Finnbogg, die spinnenhafte Shriek und Chang Guafe, der Fremdartigste von allen.«
»Es gab auch welche, die nicht so fremdartig waren.« »Stimmt. Die Lady 'Nrrc'kth und ihr falscher Gatte
N'wrbb Crrd'f. Ich hätte die Lady 'Nrrc'kth vielleicht lieben können. Sie war von einer exotischen Schönheit - die Haut so bleich wie frisch gefallener Schnee, das lange Haar und die tiefen Augen vom Grün eines Waldes, der sich aus dem Schnee erhebt. Auf allen meinen Reisen bin ich niemandem begegnet, der sich mit der Lady 'Nrrc'kth vergleichen ließe.«
»Und wo ist sie jetzt, Bruder?«
»Tot«, flüsterte Clive. »Abgestürzt während eines gefahrvollen Abstiegs von einer Ebene des Dungeon zur nächsten. Dafür allein, Neville, verachte ich die Ren. Wenn sie die Herren des Dungeon sind, dann sind sie verantwortlich für Lady 'Nrrc'kths Hinscheiden. Das werde ich ihnen niemals vergeben, Neville!«
»Aber du akzeptierst die Chaffri?«
»Ich weiß zu wenig von ihnen, aber die wenigen mir bekannten Tatsachen deuten darauf hin, daß sie nicht/ besser sind als die Ren. Nicht besser.«
Neville hielt eine Hand hoch. »Die Ren sind nicht die Herren des Dungeon, Clive! Laß dich nicht täuschen!« Er stieß ein sardonisches Gelächter aus, sein größter Gefühlsausbruch seit der Wiedervereinigung mit dem Zwillingsbruder. »Die Ren sind nichts weiter als eine der kämpfenden Mächte im Dungeon. Und die Chaffri eine andere.«
Clive äußerte sich nicht weiter dazu. In den Worten des Bruders war für ihn nur wenig Neues enthalten. Vieles davon wußte er längst - aber es aus dem Mund des Bruders zu hören, war noch erschreckender als die Wirklichkeit der eigenen lebhaften Erinnerungen.
Nach einer Weile ergriff Neville erneut das Wort. »Und was dein Liebchen betrifft, wie war doch ihr Name - 'Nrrc'kth: Laß die Hoffnung nicht fahren. Du sagtest mir, sie sei im Dungeon gestorben, aber was ist, wenn wir einen Augenblick vor ihrem Tod eingreifen? Was ist, wenn eine Macht die Linie zwischen den Ebenen des Dungeon betritt und sie an einen anderen, sicheren Ort im Dungeon bringt - oder sogar aus ihm hinaus?«
»Kann das geschehen? Neville, ist's möglich?«
»Aber Bruder - ich dachte, du seist mit einer Miß Annabella Leighton verlobt.«
»Mir wurde gesagt, daß Miß Leighton London im Jahr 1868 verließ, kurz nach meiner Abreise nach Sansibar. Gegenwärtig hat sie sich in Boston in den Vereinigten Staaten etabliert. Laut Miß Leighs - Annies - Aussage will Annabella nichts mehr mit mir zu tun haben.«
»Aber denk doch nach, kleiner Bruder - wenn du in einem Augenblick kurz vor ihrer Abreise von London eintreffen könntest...?«
»Darüber habe ich nachgedacht, Neville. Es ist eine verlockende und zugleich faszinierende Aussicht, aber ich will nicht mehr in Annabellas Leben herumpfuschen. Um 'Nrrc'kth zu retten - nun, eine unschuldige Frau vor dem unverdienten Tod retten: das ist eine Aussicht, die mich reizen könnte. Aber die Angelegenheit mit Miß Annabella Leighton liegt ganz anders. Nicht nur die Tatsache, daß eine derartige Einmischung ein Herumpfuschen in ihrem Leben bedeutete - sie würde gleichfalls das Entstehen einer ganzen Linie von Abkömmlingen verhindern, die von ihr zu Annabelle Leigh führt. Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Neville. Es reizt mich, aber ich werde widerstehen.«
Neville erhob sich und trug die tropfende Kerze hinüber zur anderen Seite des Raums. Er griff nach einer Gasdüse, die hoch oben an der Wand befestigt war, drehte den Hahn, damit das Leuchtgas ausströmen konnte, und hob die Kerze, um das Gas zu entzünden.
»Bist du dann also bereit zum
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