Bizarre Beziehungen - V 1.0
Gestalten glaubte Clive, zwei ihm vertrautere Figuren zu erblicken, die auf ihn zu rannten. Ja, sie waren's!
Es waren Sidi Bombay und Horace Hamilton Smythe!
Das Ungeheuer hatte in Clive ein vertrautes Gesicht erkannt. Obleich das tot-lebendige Wesen bei ihrer vorherigen Begegnung seinen Haß auf Clive deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, kämpfte es jetzt darum, Clive zu erreichen. Es kannte Clive, es wußte, daß sich Clive erinnerte und daß er vielleicht ein Verbündeter war, ein vertrauter Verbündeter angesichts der Fremdlinge und der Feinde.
Das Ungeheuer kam näher, schlug mit den Armen wie mit Windmühlenflügeln um sich und wirbelte mit jedem Streich die Angreifer beiseite. Wer war das Ungeheuer, wer der Angreifer? Clives Erinnerungen zufolge war das Ungeheuer sowohl in Mary Shelleys Roman als auch in den Bühnenadaptionen, die ihre Geschichte auf die Bretter der ganzen Welt gebracht hatten, zumindest anfangs ein Geschöpf der Unschuld gewesen. Es war nicht aus eigenem Willen ins Dasein gerufen worden, sondern vom Willen des maßlosen Dr. Frankenstein. Das Ungeheuer war auf Mensch und Hund gehetzt worden, hatte in einem blinden Einsiedler den einzigen Freund gefunden, nur um dann von sehenden Menschen aus der Höhle des Einsiedlers vertrieben zu werden. Von allen verachtet und zurückgestoßen, selbst vom eigenen Schöpfer, war das Ungeheuer seinem Schicksal überlassen worden und trieb am Ende dem unausweichlichen Tod inmitten der polaren Eisschollen entgegen.
Aber sein Tod war nicht unausweichlich gewesen!
Irgendwie hatte das Ungeheuer eine Zufluchtsstätte in einer Eishöhle gefunden. Dort hatte es eingefroren unzählige Jahre überdauert, bis es von Clive und Chang Guafe aus seinem eisigen Gefängnis befreit worden war. Und jetzt war es hier!
War es eine Bedrohung, oder war es ein Opfer?
War seine Wut auf Clive lediglich der perverse Instinkt einer Kreatur gewesen, deren einziger Wunsch es war, zu morden und zu töten? Oder spiegelte das Ungeheuer einfach nur die Gefühle wider, die ihm entgegengebracht worden waren?
Clive brachte ein schwächliches Lächeln zustande sowie so etwas Ähnliches wie eine Geste des Grußes und der Ermunterung.
Mit der gräßlichen Kopie eines Lächelns auf den leichenblassen Zügen kämpfte sich das Ungeheuer noch verzweifelter auf Clive zu. Es gelang ihm, aus dem Kreis der Angreifer auszubrechen, und dann legte es die Entfernung zwischen sich und Clive mit erstaunlicher Geschwindigkeit zurück.
Noch während das Ungeheuer seinen Angreifern entkam, rannten Sidi Bombay und Horace Smythe auf Clive zu. Die drei kamen gleichzeitig an. Sidi Bombay und Horace Smythe sahen, daß Clive und das Ungeheuer in gewisser Weise miteinander bekannt waren, aber sie hielten Clive vorsichtigerweise zwischen sich und dem riesigen Wesen.
Die Brigade der uniformierten Soldaten unter dem Kommando von Anna Maria Folliot marschierte auf das Quartett zu. In der anderen Richtung hatten sich die pöbelhaften Verfolger des Ungeheuers zu einem ungeordneten Trupp formiert und näherten sich erneut.
Hinter ihnen stand der Zug. Vor ihnen lag eine unendliche und uneinschätzbare graue Weite.
Sie könnten versuchen, wieder an Bord zu kommen, sie könnten über die unbegrenzte Ebene fliehen, oder sie könnten stehenbleiben und kämpfen, zwischen zwei Parteien von Angreifern gefangen.
Und Clive spürte die Blicke seiner drei Gefährten auf sich ruhen. Sie hatten ihm die Anführerschaft übergeben - die Entscheidung!
Clive Folliot schloß für den winzigsten Bruchteil einer Sekunde die Augen und unternahm eine gewaltige mentale Anstrengung. Er kam sich vor, als hätte sein Geist den Körper verlassen. Er sah zurück und erblickte sich selbst und seine drei Gefährten, den Pöbelhaufen, der das Ungeheuer angegriffen hatte, und die schwarzgrün uniformierte Brigade, die von Anna Maria befehligt wurde, und alle waren sie erstarrt wie auf einer Da-guerreotypie.
In der Nähe erblickte Clive seinen Bruder Neville.
Neville war der einzige der unzähligen Männer und Frauen, der nicht eingefroren war, der sich der Lage bewußt, der imstande war zu handeln. Er hob die Faust und schüttelte sie in Richtung auf Clive. Sein Mund bewegte sich, und Worte drangen heraus.
Aber sie kamen alle merkwürdig langsam heraus, als ob sich Neville nur mit halber, einem Viertel, einem Achtel Geschwindigkeit bewegte. Langsamer, langsamer, immer langsamer.
Clive fand sich von einer blendenden Helligkeit
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