bK-Gruen, Sara
sich kein bisschen wie
sechsunddreißig. Wie und wann war es dazu gekommen?
«Cat
hier. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.»
«Ich
bin's nochmal», sagte John. «Ruf mich zurück.»
Dies war
die dritte Nachricht, die John hinterließ, und obwohl er sich bemühte,
Nachsicht walten zu lassen - vielleicht war sie unter der Dusche, oder sie
hatte ihr Handy auf dem Zimmer gelassen, als sie frühstücken ging -, keimte
Ärger in ihm auf. Sie waren schon zwei Tage im Rückstand; das galt zumindest
für ihn. Wer weiß, was Cat ausgeheckt hatte?
Amanda
war früh aufgestanden, hatte den Hotelkaffee für ungenießbar und das Backwerk
für Beton erklärt und war zu einem Supermarkt in der Nähe gelaufen. Sie war
fahrig und aufgewühlt, und John gab sich die Schuld, weil er sich die halbe
Nacht hin und her gewälzt hatte.
John rief
die Rezeption an und bat, ihn mit Cats Zimmer zu verbinden.
«Hey,
Cat. Vielleicht ist dein Handy-Akku leer. Ruf mich an. Wir müssen uns
zusammensetzen und unseren Schlachtplan ausarbeiten.»
John telefonierte
mit der Universität und erhielt die Auskunft, dass keinerlei Einzel-Interviews
gewährt würden. Man werde am späteren Vormittag eine Pressekonferenz abhalten,
die erste seit den Anschlägen, und bis dahin werde man keine Verlautbarungen
abgeben. John fand die Verzögerungstaktik eigenartig, wo doch Reporter seit
Tagen Posten bezogen hatten.
John rief
im Krankenhaus an, wo man ihn als Erstes fragte, ob er zur Familie gehörte,
und sich dann weigerte, Isabel Duncans Anwesenheit zu bestätigen oder zu dementieren.
Er ließ sich nicht auf eine Diskussion ein, obwohl er wusste, dass sie dort
war: Es war die einzige Unfallklinik der Stufe i in der Umgebung, und wenn sie
nicht dort wäre, warum dann die Frage, ob er zur Familie gehörte? Danach
hinterließ er eine Nachricht bei ihrer Privatnummer.
«Hi,
Isabel. John Thigpen hier. Wir haben uns ... äh, Sie erinnern sich bestimmt.»
Er
quasselte weiter, etwas länger als angemessen, doch er wollte ausdrücken, dass
er sich wirklich Sorgen um ihr Wohlergehen machte und nicht nur scharf auf ein
Interview war. Und es war ehrlich gemeint: In seinem unruhigen Schlaf hatten
ihn Traumbilder von ihr gequält. Er wartete im Flur des Labors auf sie. Sie
trat leise hinter ihn und streifte seine Hand. «Komm mit mir», flüsterte sie,
und sein ganzer Körper kribbelte. Ihr Mund berührte fast sein Ohr. Ihr Atem war
wie Zitronensorbet. Dann folgte er ihr, beobachtete ihre Hüften und wie sie
einen Fuß akkurat vor den anderen setzte wie ein indianischer Fährtensucher. Er
erspähte huschende Schatten und blieb wie angewurzelt stehen. Er wusste genau,
was gleich passieren würde, und brüllte eine Warnung. Er sprang mit
ausgestreckten Armen auf sie zu. Sie drehte sich um, mit fragendem Gesicht,
doch bevor sie ein Wort sagen konnte, wurde sie rückwärtsgewirbelt und hinauf
in eine Hitzewand, so weiß und grell, dass es aussah, als wäre sie in die Sonne
gefallen. Sie verschwand in Stücken: zuerst ihr runder Rücken, gefolgt von
Gesicht, Armen und Beinen. Die langen Haare, nach vorne um den Kopf geweht,
vergingen als Nächstes, dann Hände und Füße. John wachte zitternd und schweißgebadet
auf, sein Herz klopfte wild. Er hatte jede Orientierung verloren, brauchte ein
paar Sekunden, bis er merkte, dass er nicht in seinem eigenen Bett lag. Amanda
beugte sich über ihn, legte ihm ihre Hand auf die Brust.
«Herrje,
Baby - alles okay? Dein Herz rast wie bei einer Rennmaus.»
«Mir
fehlt nichts. Hab bloß schlecht geträumt.»
Sie
knipste die Lampe an.
«He!»,
machte er und beschattete die Augen.
Sie
befühlte seine Stirn und musterte ihn eingehend.
«Ich hab
keinen Herzinfarkt. Echt nicht.»
Sie
machte das Licht aus und legte sich wieder hin. «Wie war er?»
«Was?»
«Der
Traum.»
Er
schüttelte den Kopf. «Zu verquer, um ihn zu erklären.»
John lag
wach, die Augen offen, besorgt. Hatte er Isabels Namen gerufen? Wohl nicht;
denn Amanda kuschelte sich an ihn und streichelte seine Schulter, bis er
einschlief. Aber am Morgen war er sich nicht mehr so sicher.
John
starrte auf den Heizkörper. Er schüttelte die Spinnweben aus seinem Hirn und
rief Cat erneut an. Diesmal verzichtete er darauf, eine Nachricht zu
hinterlassen; denn er hätte keine netten Worte gefunden. Wenn Cat sich in zehn
Minuten nicht meldete, würde er auf eigene Faust losziehen. Wenn sie dadurch
unnötigerweise doppelte Arbeit hatten, war es nicht seine Schuld.
Er
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