bK-Gruen, Sara
zwei Frauen. Sie sahen zerzaust aus
und verschlafen. Hemden und Blusen waren frisch gestärkt und blütenrein, doch
die verquollenen und übernächtigten Gesichter über den Kragen sprachen eine
andere Sprache.
Faulks
nahm den Finger von der Tischplatte und betrachtete das Muster. Er beugte sich
vor, hauchte auf den Tisch und wischte ihn mit der Unterseite seiner
Seidenkrawatte wieder glänzend. Abwesend musterte er seine Fingerspitze und
fuhr sich damit unbewusst über die Lippen, während sein Finanzchef sich durch
eine Reihe PowerPoint-Folien klickte. Auf einer Graphik war eine rote Linie zu
sehen, die nach einem Zickzackanstieg an einem bestimmten Punkt steil nach
unten abfiel.
«Entscheidend
ist», sagte der erschöpfte Finanzchef, «dass die Zuschauer trotz unserer
Rabattangebote bei den Langzeit-Abos nicht anbeißen.»
«Und die
Kurzzeit-Abos?»
«Gut.
Großartig. Hervorragend sogar. Aber wenn weiter nur Tages-Abos gebucht werden,
kann uns das ganze Projekt jeden Augenblick um die Ohren fliegen.»
«Dann
sorgt dafür, dass sie eine Woche kaufen, Minimum. Mit automatischer
Verlängerung bis zur aktiven Kündigung.»
«Können
wir nicht. Für viele Zuschauer kommt ausschließlich das Vierundzwanzig-Stunden-Segment
in Frage - Geschäftsleute auf Tagungen et cetera. Die wechseln täglich das
Hotel.»
«Und was
ist mit Online-Abos für Privathaushalte?»
«Die
wollen sich nicht binden.»
«Weshalb?»,
wollte Faulks wissen.
Alle
Augen richteten sich auf einen der Produzenten, der daraufhin seufzte und sich
in seinem Sessel aufrichtete. «Die Affen haben ständig Sex und schmeißen Geld
zum Fenster raus, aber mehr passiert im Grunde nicht. Bis jetzt gab es nicht
mal eine Kabbelei. Es fehlt eine dramatische Komponente. Wir müssen die
Schraube stärker anziehen.»
«Wie?»,
fragte Faulks, die grauen Augen auf das Diagramm geheftet.
«Wir
brauchen Drama. Spaß. Das Unerwartete. Kämpfe, Koalitionen, Intrigen. Das
kennen die Leute, und das erwarten sie vom Reality-TV», sagte der Produzent.
«Spannung muss her.» Er stand abrupt auf und verließ den Tisch. Er stützte die
Hände in die Hüften und offenbarte dabei seine verschwitzten Achselhöhlen.
«Das kann
doch bei Gott nicht so schwer sein! Menschen gehen ständig aufeinander los. Und
Meerkatzen auch, verdammt nochmal - Animal Planet hat Meerkat
Manor seit Jahren im Programm. Was ist los mit diesen blöden
Viechern?»
«Und wie
wäre es, wenn wir das Publikum einbinden?», warf jemand in den Raum.
«Und wie
zum Teufel wollen wir das anstellen?», fragte Faulks. «Die C-Prominenz eine
Woche lang ins Haus sperren, oder was?»
Augenblicklich
herrschte helle Aufregung am Tisch: «Ron Jeremy!»
«Carmen
Elektra!»
«Verne
Troyer!»
«Alle
drei zusammen!»
Wunderbare
Möglichkeiten taten sich da auf. Die Runde verfiel in nachdenkliches Schweigen.
Selbst Faulks schien in Tagträumen zu schwelgen.
«Nein»,
sagte er schließlich. «Keine Versicherung würde da mitspielen. Fest steht, wir
müssen etwas unternehmen. Uns einmischen. Sie dazu anstacheln, gewisse Dinge zu
tun.»
«Aber in
der Sendung geht's doch gerade darum, dass die Affen das Kommando haben»,
protestierte eine Frau mit halb aufgelöstem Nackenknoten.
«Zeiten
ändern sich», erwiderte Faulks barsch.
Der
Marketingchef fing an, mit dem Füller auf den Tisch zu trommeln. Sämtliche
Augen wandten sich ihm zu. Er hörte abrupt auf und beugte sich vor. «Wie wäre
es ...», fing er an und verstummte wieder. Er legte die Hand ans Kinn und
starrte zur Decke. Ein verklärter Ausdruck erschien in seinen Augen.
Faulks
richtete sich auf. «Was? Wie wäre es mit was?»
«Wie wäre
es», wiederholte der Marketingchef, langsamer diesmal, und machte eine
ausladende Geste, «mit Affenhaus Printe Time?» Er gönnte
den Anwesenden einen Moment, um ihrer Vorstellungskraft Flügel zu verleihen.
«Dreiundzwanzig Stunden am Tag haben die Affen das Kommando. Dann, einmal
täglich, greifen wir ein und tun etwas, das Einfluss auf ihr Lebensumfeld hat.
Etwas», sagte er und senkte die Stimme, «das vom Publikum im Vorfeld bestimmt
wurde. Vom zahlenden Publikum natürlich. Von den Zuschauern, die unser Monats-Abo
gekauft haben. Dreiundzwanzig Stunden lang tun die Affen, was sie wollen, und
eine Stunde lang das, worüber die Monats-Abonnenten abgestimmt haben.»
«Dreiundzwanzig
zu eins.»
«Vorgeblich,
ja.»
«Vorgeblich?»
«Die
Nachwirkungen würden vermutlich spürbar sein bis zur nächsten ...
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