bK-Gruen, Sara
von Frauen und Tieren bestehe ein historischer
Zusammenhang bestehe. Ob ihr nicht klar sei, dass das Kellnern - oder, wo man
gerade dabei war, jeder Niedriglohn-Job, bei dem man auf Trinkgeld angewiesen
war - eine Form weiblicher Unterdrückung sei?
Das
Pärchen an dem Tisch gleich neben John stand auf, und John sprang auf den
freien Stuhl zu, wobei er knapp eine Frau ausstach, deren Schritt von ihren
hohen Absätzen gebremst wurde, während sie versuchte, ihren Martini nicht zu
verschütten. John bekam ein schlechtes Gewissen und bot ihr an, sich dazuzusetzen,
doch sie verdrehte nur die Augen und stöckelte davon. Die Angelegenheit war
den Öko-Feministinnen nicht entgangen. Sie sahen John einen Moment lang scharf
an, wandten sich dann ab und stießen Kommentare aus wie «widerlich», «Schwein»
und so weiter. Ein Kellner, männlich und deshalb wahrscheinlich nicht
unterdrückt, kam an Johns Tisch und nahm seine Bestellung auf, ein Reuben
Sandwich mit Corned Beef und Sauerkraut und noch ein Bier. Am Nebentisch hob
erneut Gemurmel an, und John schnappte Begriffe wie Massentierhaltung und Mord
auf.
Eine
halbe Stunde später hatte er sein Sandwich noch immer nicht auf dem Tisch, und
er bestellte sich noch ein Bier und dann, wiederum zwanzig Minuten später,
nachdem der gehetzte Kellner ihm etwas von einer völlig überlasteten Küche
erzählt hatte, noch eines. Noch eine halbe Stunde und ein weiteres Bier später
gab er die Hoffnung auf sein Sandwich auf und bat den Kellner um die Rechnung.
Draußen
wurde es bereits dunkel, und er verwarf den Plan, jetzt noch zum Affenhaus zu
fahren. Der Rückweg ins Motel erwies sich bereits als schwierig genug, weil der
Bürgersteig sich in unerwartete Richtungen neigte und seine Beine nicht mehr
machten, was er wollte. Er schaffte es irgendwie auf sein Zimmer zurück und
rief Amanda an.
John
wachte schweißgebadet auf. Er fuhr hoch und sah auf die Uhr. Dreizehn Minuten
vor vier. Draußen knirschte der Kies, und ein Auto fuhr vor. Unglaublich tiefe
Bässe irgendeines Clubsounds wummerten in seinem Brustkorb. Durch die
geöffneten Autotüren vervielfachte sich der Lärm. Irgendwelche Menschen
verständigten sich schreiend und lachend über die Musik hinweg. Was war das?
Russisch? Ukrainisch? Lettisch vielleicht? John hatte keine Ahnung. Er wusste
nur, dass sie betrunken waren. Die Autotüren fielen krachend zu, es folgten ein
kleines Hupkonzert und der Schlag einer Faust oder eines Schuhs oder sonst was
gegen die Karosserie. Als der Wagen wegfuhr, explodierten Frauenstimmen in
hysterisches Gelächter. John stellte erleichtert fest, dass die Schritte sich
entfernten. Er hörte leises Geklapper, als sie die Betontreppe hinaufgingen,
und dann begaben sie sich zu seinem Verdruss in das Zimmer direkt über seinem.
Sie
schalteten Musik ein - irgendwelchen Technopop mit Synthesizern -, und es wurde
gerumpelt, getrampelt, geduscht. Boden und Bett knarrten. Die Unterhaltung war
lebhaft und laut, immer wieder von überdrehtem Gelächter unterbrochen.
Er würde
den Nachtportier anrufen. O ja. Und wenn der nicht da war, dann rief er ...
John
starrte mit aufgerissenen Augen zur Decke. Jetzt erst fiel ihm das Gespräch mit
Amanda wieder ein.
Sie hatte
gesagt, sie hätte sich ein Testset gekauft, mit dem sich ihr Eisprung bestimmen
ließ. Er war betrunken gewesen und hatte einen blöden Witz darüber gemacht,
dass sie sich lieber einen Hund anschaffen sollten, weil sie dem keine Windeln
wechseln und keine Ausbildung finanzieren müssten.
Und da
hatte Amanda aufgelegt und ihr Telefon ausgeschaltet.
Er
versuchte, seiner Panik Herr zu werden, indem er analysierte, woher sie kam. Er
war immer davon ausgegangen, dass sie irgendwann Kinder haben würden, hatte
sich Amanda sogar bildlich mit einem Baby im Arm am Fenster sitzend
vorgestellt, in goldenes Sonnenlicht getaucht. Doch diese Idylle war im Laufe
der Zeit von einem anderen Bild verdrängt worden. Das neue Bild beinhaltete
Gefahren für Amandas Gesundheit, Missbildungen und Komplikationen mit der
Nabelschnur, schlaflose Nächte, Berge von Windeln und die Gewissheit, dass die
Sache mit achtzehn nicht erledigt sein würde, weil danach das College käme,
Hochzeiten und Zuschüsse zu irgendwelchen Anzahlungen - und das alles auch nur,
wenn man Glück hatte, weil es manche gab, die nie aus dem Kellerzimmer
auszogen. Und falls doch, kamen sie manchmal zurück. Und wenn sie tatsächlich erfolgreich
ins Leben starteten, verschwanden sie und
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