bK-Gruen, Sara
John.
«Nichts.
Wirklich. Tu jetzt ja nichts Dummes, ja?»
John, der
kurz davor war, genau das zu tun, knurrte durch zusammengebissene Zähne: «Was hat
er getan?»
«Wir
waren auf einer Party. Er hatte die Hand um meine Taille gelegt, was ja keine
große Sache war, weil er schwul ist. Aber dann hat er angefangen, an meinem Ohr
zu knabbern. Ich habe ihm gesagt, dass er es lassen soll, und als er irgendwann
gemerkt hat, dass ich es ernst meine, hat er es gelassen. Keine große Sache,
wie ich schon sagte. Er hatte ein bisschen was getrunken. Aber jetzt habe ich
ein blödes Gefühl, mit ihm zusammenzuarbeiten. Und ich glaube, wenn er wollte,
könnte er mich jederzeit ersetzen.»
Nach dem
Gespräch fühlte John sich krank. Er wusste aus eigener Erfahrung, was Männer
für Schweine sein konnten.
Es war
Erstsemesterwoche gewesen und er selbst ein Erstsemester. Das war die einzige
Entschuldigung, die er vorbringen konnte. Es war gerade acht Tage her, dass
seine Eltern ihn in seinem Wohnheim abgeliefert hatten, und er probierte in
einer Bar mit klebrigem Fußboden seinen nagelneuen, gefälschten Ausweis aus.
Die Bar hieß Nasty Hammer's Taproom und gehörte zu der Sorte, wo die Leute sich
ihr wässriges Bier mit Salz aufpeppten. Er bemühte sich nach Kräften, so zu
tun, als würde er etwas vertragen. Was definitiv nicht der Fall war.
Ginette
Passior kellnerte an diesem Abend. Sie war knapp vierzig, was ihm damals uralt
vorgekommen war, doch sie hatte schöne Beine, und das schummrige Licht in der
Kneipe schmeichelte ihr. John fühlte sich schon allein ihres Namens wegen
augenblicklich zu ihr hingezogen: Wie konnte jemand, der Thigpen hieß, kein
Mitgefühl für eine Passior haben? («Ginie Pissoir», seufzte
sie. «Das hör ich schon mein ganzes Leben. Und jeder Idiot, der damit ankommt,
meint, er sei der Allererste!») Als er dann irgendwann ein bisschen grün um die
Nase wurde, brachte sie ihm ein rosarotes Solei aus dem riesigen Glas auf dem
Tresen, wahrscheinlich weil sie dachte, das würde seinen Magen wieder
einrenken. Er bedankte sich überschwänglich und ließ das Ei in der hohlen Hand
verschwinden, weil ihm schon bei dem Geruch allein übel wurde.
John
schauderte. Er wusste bis heute nicht, ob er es überhaupt zustande gebracht
hatte, mit ihr zu schlafen. Er erinnerte sich nur bruchstückhaft an den Rest
des Abends - zum Beispiel an sich selbst im Kopfstand, während jemand ihm
einen Trichter an den Mund hielt und er unter anfeuerndem Gebrüll an dem unaufhaltsamen
Bierfluss schluckte und würgte, und daran, wie irgendwelche Leute Schnaps
mitsamt Gläsern in einen Bierkrug kippten und «Hu! Hu! Hu!» grölten, während er
den Krug auf ex leerte. Und dann war sie auf einmal da und dann - ach - er,
kotzend im Bus und dann nochmal kotzend vor einer Toilette kauernd, und dann
nichts mehr, bis er am nächsten Morgen aufwachte und sich von ihr alle
möglichen Geschichten über den Namen Passior anhören musste, obwohl er
insgeheim nur wollte, dass die Zimmerdecke endlich aufhörte, Achterbahn zu
fahren. Während er seine Sachen vom Schlafzimmerboden einsammelte, versprach
er, sie anzurufen. Das hätte er nicht tun sollen, weil er wusste, dass es
gelogen war, aber er fand, dass man zu einer Frau irgendetwas sagen musste, wenn
man sich aus ihrem Schlafzimmer verabschiedete. Zu sagen, dass man keine
Ahnung hatte, welcher Teufel einen geritten hatte (außer einem Dutzend Herrengedecke)
und nur den sehnlichen Wunsch hatte, ihr nie wieder im Leben zu begegnen, kam
nicht in Frage.
Seine
Freunde auf dem Campus lachten anerkennend, als hätte er Großes geleistet. Sie
lachten noch mehr, als er sie ein paar Wochen später auf Knien anflehte, Amanda
nichts davon zu erzählen, die er gerade kennengelernt hatte. John kam aus einer
Vorlesung, sah auf, und da stand sie, am Ende des Flurs, um den Kopf einen
strahlenden Heiligenschein aus kupferroten Haaren. Sie trug Jeans,
Cowboystiefel und ein enges T-Shirt in Blasslila. Sie hatte einen ruhigen,
achtsamen Gang, und sie bewegte die Beine aus den Hüften heraus wie ein
Laufstegmodel. Ihr Haar wippte bei jedem Schritt. Es war um John geschehen,
noch ehe er wusste, wie sie hieß.
Zwei
Wochen später waren sie gerade auf dem Weg zu einem Restaurant, als John
Ginette auf der anderen Straßenseite entdeckte. Sie sah ihn im selben
Augenblick wie er sie und steuerte direkt auf ihn zu. Sobald sie vor ihm stand,
stellte sie sich auf die Zehenspitzen ihrer schmutzigen Stoffturnschuhe
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