BKA - Die Jaeger des Boesen
Möglichkeiten und unbegrenzte Mittel hat, müssten die Jäger auch alle Möglichkeiten und Mittel haben. Wenigstens dürfen die Ermittler in Italien bei einem nur vagen Verdacht auf Zugehörigkeit zur Mafia bereits Wanzen und Mikrofone einsetzen, also abhören. Ohne Lauschangriffe hätten sie gegen die Mafiosi keine Chance. Das ist nachweisbar. Im Juli 2010 gelang es italienischen Spezialeinheiten bei einem Großeinsatz, den obersten Boss der ’Ndrangheta – deren Jahresumsatz mit schmutzigen Geschäften übrigens grob auf vierzig Milliarden Euro weltweit geschätzt wird – sowie dreihundert Lokalpolitiker, Unternehmer, Mafiosi zu verhaften, auf die sie gestoßen waren durch abgehörte Handygespräche und ausgespähte Computerdateien.
Roberto Scarpinato würde, falls er ein Mafioso wäre, langfristig in Deutschland statt in Italien schmutziges Geld in saubere Geschäfte investieren, vor allem nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Vorratsdatenspeicherung verbietet. Auf diese Idee sind die Gangster auch schon gekommen. Das Bundeskriminalamt hat deshalb in den vergangenen Jahren hundertzweiundneunzig Ermittlungsverfahren gegen italienische Mafia-Gruppierungen angestoßen; die BKA-Experten vermuten, dass Hunderte von Mitgliedern nicht ganz ehrenwerter Gesellschaften
gut getarnt durch scheinbar bürgerliche Existenzen in Deutschland leben.
Hat der italienische Mafia-Jäger recht? Müsste nicht manche erkämpfte Errungenschaft des Datenschutzes zugunsten einer effizienten Überwachung organisierter Krimineller aufgegeben werden? Müssen sich Strafverfolger auch dann noch an die Regeln halten, wenn die anderen ohne Regeln spielen? Auf solche Fragen antworten weder die Beamten in Wiesbaden noch die in Den Haag. Keiner wagt sich offiziell auf dieses Minenfeld. Politiker könnten mit neuen Gesetzen oder Bestimmungen die Spielregeln zugunsten der Jäger ändern. Sie sollten es tun, und zwar möglichst schnell. Die meisten Gesetze zur Verbrechensbekämpfung wurden bekanntlich formuliert und verabschiedet in jenen Zeiten, da kaum jemand ahnte, was sich die Kriminellen alles würden einfallen lassen im Zeitalter offener Grenzen und erst recht des grenzenlosen Internet.
Der nächste Schritt der organisierten Kriminellen von der wirtschaftlichen Macht zur politischen ist irgendwann die logische Konsequenz. Neben Profitstreben ist Machthunger ein entscheidender Trieb der Organisierten Kriminalität. Solange die Staatsmacht sie bei ihren Geschäften nicht stört, besser noch: solange die stillschweigend mitmacht, spielt sie ihre Macht nicht gegen jene aus. Sobald die Organisierte Kriminalität aber, beispielsweise nach einem Regierungswechsel, ihre Pfründe bedroht sieht, erklärt sie dem Staat den Krieg. In Osteuropa ist er schon entbrannt. Alle Verbündeten sind ihr daher lieb. In allen Institutionen und auf allen Ebenen.
Es war nicht nur der Volkszorn, der sich 2009 in Georgien in Demonstrationen und Straßenschlachten artikulierte, dahinter stand auch der Zorn der georgischen Mafia über die Anti-Korruptionsgesetze des nicht lupenrein demokratischen Präsidenten Saakaschwili. Mit klammheimlicher Unterstützung höchster Staatsdiener, die ihr zu Diensten waren, wollte sie die Regierung stürzen, indem sie den Volkszorn schürte und die Proteste finanzierte. Geld aus ihren Drogengeschäften hatten sie erstens genug
und zweitens inzwischen auch in Westeuropa in die legale Wirtschaft investiert, hauptsächlich in Restaurants, wo sich am einfachsten schmutziges in sauberes Geld verwandeln lässt.
Diese Geldwaschanlagen waren das eigentliche, das ursprüngliche Ziel der europäischen Ermittler. Ein Jahr lang wurden in der koordinierten »Operation Java« die Telefone verdächtiger Georgier abgehört, eher nebenbei die Verbindungen zu den Unruhen in Georgien entdeckt, bis schließlich genügend Beweise vorlagen und zeitgleich in Deutschland und Österreich, in der Schweiz und in Spanien fünfundsiebzig Mitglieder einer kriminellen Bande verhaftet werden konnten. Aufgrund der abgehörten Telefongespräche ließen sich nicht nur ihre herkömmlichen kriminellen Aktivitäten beweisen, sondern auch ihre Beteiligung am geplanten Staatstreich.
Was in Georgien passierte und letztlich scheiterte, die Kooperation von Mafia und Politik zum gegenseitigen Nutzen, ist kein Einzelfall. Im Sommer 2010 brachen in Kirgistan blutige Unruhen zwischen Kirgisen und Usbeken aus, geschürt von Anhängern des gestürzten Präsidenten
Weitere Kostenlose Bücher