BKA - Die Jaeger des Boesen
nicht zufällig Tür an Tür, denn es wäre im Sinne der Idee EUROPOL wenig hilfreich, wenn die neunundfünfzig vom Bundeskriminalamt, davon zehn Verbindungsbeamte, ein deutsches Häuflein bildeten oder die dreiundvierzig Franzosen unter sich blieben oder die fünfundfünfzig Briten oder die fünf Rumänen oder die siebenundzwanzig Spanier usw. Gemischt werden Nationalitäten natürlich nach Bedarf, aber auch nach Kriterien wie Ausbildung, Erfahrung, Begabung. Keiner gewinnt mehr für sich allein. Dementsprechend hat sich die Ausbildung an den neuen Zeiten zu orientieren. Es sei, sagt Robert Hauschild, auch eine Generationenfrage, denn die Generation vor ihm musste noch nicht mit Computern vertraut und in mindestens einer Fremdsprache zu Hause sein.
Als die politische Kopfgeburt EUROPOL damit begann, Ermittlungsergebnisse und Daten zu sammeln, zu ordnen, zu koordinieren, war das Verhältnis zwischen der Zentrale in Den Haag und den nationalen Polizeibehörden so kompliziert wie einst das zwischen Bundeskriminalamt und den einzelnen Landeskriminalämtern. Mittlerweile haben die meisten begriffen, hier international wie dort national, dass sie nur dann im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität erfolgreich sein können, wenn sie als Einheit antreten, darin ihre besonderen Eigenschaften einbringen, aber nicht ihre besonderen Eigenheiten. Nur im nationalen Rahmen zu reagieren auf die Aktivitäten der Kriminellen wäre erfolglos, weil man so allenfalls die Kleingangster erwischt, die Hintermänner jedoch, die ihnen die Aufträge erteilt haben, nicht zu fassen bekommt.
Und selbstverständlich wissen heute alle, dass Organisierte Kriminalität multinational ist. Dass türkische Rauschgiftbanden, um
kein zufällig gewähltes Beispiel zu nehmen, genauso international aufgestellt sind mit Holländern, Engländern, Deutschen, Franzosen, Spaniern usw. in ihren Reihen wie ihre Gegner, die Rauschgiftfahnder in Den Haag. Dass Marketingmethoden der legalen Wirtschaft im Einsatz sind. Lean Management zum Beispiel bedeutet im Drogengeschäft, nahe an den Absatzgebieten, den reichen Ländern Westeuropas, wo die Kunden leben, die Ware zu lagern, um auf steigende Nachfrage flexibel reagieren zu können und nicht erst im fernen Kolumbien bestellen zu müssen.
EUROPOL will in seinem virtuellen Netz die Kriminellen möglichst schon bei den ersten Anzeichen von Aktivität orten und sie von da an im Auge des Gesetzes behalten. Also reagieren sie in der niederländischen Metropole bereits dann, wenn etwas bekannt Gefährliches oder gefährlich Unbekanntes einen Impuls in der Zentrale auslöst. Das vermag Kriminalbeamte nicht zu ersetzen, die vor Ort aktiv werden müssen. Aber alles, was in den Köpfen einzelner Ermittler gespeichert ist oder in einzelnen Rechnern der einzelnen europäischen Polizeibehörden, hat EUROPOL gesammelt, und es kann dieses Wissen jedem einzelnen Ermittler gebündelt zur Verfügung stellen. Wie notwendig das ist, wie nützlich, leuchtet mir ein.
Doch zunächst überfällt mich mal wieder eine Abkürzung. Sie lautet OCTA und steht für »Organized Crime Threat Assessment«, den Bericht der europäischen Polizeibehörde über die Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität. Durch das Wort threat, Bedrohung, wirkt er weitaus dramatischer als die vom Bundeskriminalamt veröffentlichte Analyse. Nicht etwa nur aus dem simplen Grund, weil das BKA auflistet, was passiert ist, und EUROPOL prognostiziert, was kommen kann an Taten und Tätern, sondern schlicht aufgrund des kriminellen Potenzials von fünfhundert Millionen Europäern. EUROPOL muss mit höheren Verbrechensraten rechnen als eine auf deutschen Hellfeldern beruhende Statistik. Auf der EUROPOL-Rangliste des Bösen stehen ganz oben Kinderpornografie, Menschenschmuggel, Terrorismus, Cyber Crime, Falschgeld, Rauschgift. Synthetische Drogen werden inzwischen
in mobilen Labors hergestellt, die zu finden naturgemäß besonders schwierig ist, obwohl man weiß, wo sie hauptsächlich unterwegs sind – in Holland, in Belgien, in Osteuropa.
Mit »threat« sind auch die Europa attackierenden apokalyptischen Reiter gemeint, die sich als weiße Ritter tarnen. Sie sind nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft noch bedrohlicher als die in Criminal Hubs sich kreuzenden kriminellen Vereinigungen. In einzelnen Ländern, von EUROPOL allgemein als Weak States umschrieben, um bloß kein Mitgliedsland konkret anzuprangern, managen sie wie ehrenwerte Kaufleute diverse Firmen oder
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