BKA - Die Jaeger des Boesen
Arbeit eines Crime Mappers klang ja auch nach einem merkwürdigen Beruf, keinesfalls nach einer anständigen Betätigung für eine Frau. In England dagegen arbeiteten schon viele Kriminalgeografen im Auftrag Ihrer Majestät. Die von ihnen gelieferten Analysen von Taten und Tatorten und Tätern hatten oft entscheidende Hinweise für die Lösung eines Falls geliefert.
Selbst altgediente Cops, die anfangs spöttisch kommentierten, was ihnen die Wissenschaftler als Hilfe für die eigenen Ermittlungen im kriminellen Alltag der Metropole anboten, hatten begriffen, dass sie solche aufgezeigten Schnittmengen von Taten und Tatorten mitunter auf direktem Weg zum Täter führten. Sie konnten sich beschwerliche Umwege ersparen, die bei ihrer Arbeit anfielen, weil sie pflichtbewusst allen noch so unwahrscheinlich anmutenden Spuren folgen mussten. GIS erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass eine Spur einem bestimmten Tätertyp zugeordnet werden konnte, frei nach der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass alles, was man tut, also auch das, was Verbrecher tun, einen Bezug zum Raum hat.
Crime Mapper sind in Großbritannien eine im speziellen Wissen um ihr Können und ihre Bedeutung verschworene Gemeinschaft von Wissenschaftlern. Im März 2003 wollen sie ihre erste mehrtägige Konferenz veranstalten, um mit den Besten des Fachs, vornehmlich Kollegen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Erfahrungen auszutauschen. Davon erfährt im fernen München Christine Leist aus dem Internet. Sie meldet sich spontan online als Kongressteilnehmerin an. Dass sie sich auf eine Expedition mit ungewissem Ausgang begibt, als sie Wochen später ein Flugzeug von München nach London besteigt, ist ihr bewusst. Damals war sie Anfang dreißig und mal wieder arbeitslos, aber sie hatte ja ein Ziel – Kriminalgeografin, Geopolizistin, Crime Mapperin.
Da es von dieser Profession jedoch nur wenige gibt, kennen sich auf der »First National UK Crime Mapping Conference« am 26. und 27. März 2003 in London alle persönlich. Jedes neue Gesicht fällt auf, gern darf es unter den vielen Männern ein junges hübsches weibliches sein. Diesmal gehört es Christine Leist, der Frau aus Deutschland, die nach London gekommen ist, weil sie einen Job sucht. Nicht irgendeinen, sondern einen bestimmten, ihren Traumjob. Jetzt, auf dieser Tagung der Crime Mapper, ist sie dicht vor ihrem Ziel. Wie dicht, das wird sie bald erfahren.
Der Mann, der sie während einer Kaffeepause neugierig fragt, von welcher Behörde in Deutschland sie komme, und dann, beeindruckt
durch die Antwort, nämlich von gar keiner, sie sei hier auf eigene Rechnung und ohne Auftrag, laut Kollegen herbeiruft, Jungs, kommt mal her, ich will euch eine besondere Frau vorstellen, so eine fehlt uns, der Mann heißt Bob Milne. Er ist der Chef der Forensic Unit bei der Metropolitan Police, und weil Christine Leist genau da arbeiten will, hat sie zufällig den Richtigen getroffen. Das ahnt sie noch nicht. Die beiden unterhalten sich angeregt, denn sie spricht fließend Englisch und kennt alle für Außenstehende unverständlichen Fachbegriffe des Metiers. Sie erzählt von ihrer Ausbildung und dem, was sie bisher so alles gemacht hat. Sie klappt ihren Laptop auf. Sie zeigt ein paar selbst erstellte Analysen. Sie macht Eindruck. Milne bietet ihr einen Job in seiner Unit an, nicht einen, sondern den, den sie schon lange will. Das Risiko, auf eigene Faust nach London zu fliegen, hat sich gelohnt.
Natürlich klappt das nicht so einfach über Nacht. Die Briten wollen mehr von ihr wissen und vor allem alles über sie. Seit den Anschlägen von New York im September 2001 wird bis zum Beweis des Gegenteils zunächst in jedem Fremden ein potenzieller Terrorist vermutet. Weil es außerdem ungewöhnlich ist, dass eine deutsche Geowissenschaftlerin zur Polizei nach London zu den Crime Mappern wechseln will, dauern die Sicherheitsüberprüfungen noch länger als sonst. Parallel dazu sind Personalgespräche nötig, in denen es um ihre künftigen Aufgaben geht, die Bezahlung, die Laufzeit des Vertrags, wofür sie erneut und wieder auf eigene Kosten nach London fliegt. Der erste Eindruck, den Bob Milne im März von ihr gewonnen hat, den von Leidenschaft und Kompetenz und Courage, erweist sich als nachhaltig. Insgesamt wird es bis zu einer endgültigen Zusage knapp vier Monate dauern, das hatte man ihr gesagt.
Die Zeit nutzt sie, um im Serengeti-Nationalpark bei einem Projekt mitzumachen, bei dem die traditionellen Wanderwege der
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