BKA - Die Jaeger des Boesen
bestimmte Gegenden bei einer Manhunt genauer anzuschauen, aber nicht schon deshalb ihre Strategie komplett zu ändern und auf GIS allein auszurichten, sondern das, was ihnen die Forensic Officers übermitteln, als zusätzliche Hilfe zu betrachten. Christine Leist lakonisch: »Ich liefere den Ermittlungen zu.«
Alle eingegebenen Informationen, die GIS intelligent verknüpft und dann als dreidimensionale farbige Grafik auf dem Monitor eines Geoprofilers auswirft, sind zwar substanziell. Aber es bleibt immer ein Rest von Zweifel. Die Analyse liefert Wahrscheinlichkeiten, mehr nicht. Manches lernen Crime Mapper erst, nachdem ein Fall gelöst wurde, sobald sie Fallstudien betreiben und Stärken oder Schwächen ihrer Methoden analysieren können.
Der berühmteste nie gelöste Kriminalfall Londons ist der von
Jack the Ripper. Ende des 19. Jahrhundert hat dieser anonyme Jack mindestens fünf, wahrscheinlich aber mehr als zwölf Prostituierte umgebracht und zum Teil auch, daher der Name Ripper , brutal aufgeschlitzt und verstümmelt. Gefasst wurde er nie. Die kruden Verschwörungstheorien darüber, wer er denn gewesen sei, gar ein Mitglied des königlichen Hauses, kursieren bis heute. Seine Geschichte passt zum Thema Crime Mapping und Geoprofiling, denn immerhin eines wusste man damals: Die Tatorte lagen alle in einem Cluster, wie es Christine Leist nennen würde, in Greater London – in Aldgate, in Spitafields, in der City of London und mehrheitlich in Whitechapel, im East End.
»Was hätte man mit den heutigen kriminaltechnischen Methoden ermitteln können, was hätten Sie mithilfe von GIS versucht, Frau Leist?« Sie lacht und ruft auf dem Bildschirm ihres Computers die Karte von White Chapel im Jahre 1888 auf. Die roten Punkte symbolisieren die Tatorte zwischen August und November. Zunächst hätte sie alle Details eingegeben und alle Spuren analysiert, die Ermittler draußen gefunden haben – DNA, Fingerabdrücke, Schuhsohlenspuren, Kleidungsfasern usw. Außerdem wären mit »ziemlicher Sicherheit Aufzeichnungen aus dem Londoner Videoüberwachungssystem CCTV vorhanden gewesen«. Nächster Schritt: Mit Unterstützung der Datenbank hätte sie geprüft, wer von denen, die da aufgrund anderer Straftaten gespeichert waren, in Whitechapel seinen Ankerpunkt hatte und aufgrund seiner Vorgeschichte in Frage kommen konnte für diese Mordserie. Für Christine Leist ist die »Jack-the-Ripper-Serie als Modell für Geoprofiling geradezu prädestiniert: ein klar umgrenztes Tatgebiet, markante Mordmethoden, ein unbekannter Täter, der mit den Opfern vor der Tat nicht in Beziehung stand«. Ohne die Hilfe von GIS und Computer und Geoprofilern hatten die Detektive von Scotland Yard damals eben keine Chance.
Auch heute, in Zeiten, da kriminaltechnisch schier alles einst unmöglich Scheinende möglich ist, bleiben viele Fälle unaufgeklärt. Zu den berühmtesten gehört die Geschichte eines im Mai
2007 spurlos verschwundenen knapp vierjährigen kleinen Mädchens, dessen Gesicht seitdem die ganze Welt kennt. Die Landkarte des Bösen, die ein Crime Mapper problemlos erstellen könnte, also zum Beispiel Christine Leist, die deutsche Spezialistin von Scotland Yard, zeigt als den Ort, an dem Madeleine McCann zuletzt gesehen wurde, Portugal, die Küste der Algarve, den kleinen Ort Praia da Luz. Ankerpunkte des Täters gibt es nicht. Oder etwa doch? Sind sie bisher nur übersehen worden?
KAPITEL 10
Der Fall Maddie
K riminalfälle, die sich trotz aller Anstrengungen der Ermittler, trotz aller Kunst der Fahnder, trotz allen Einsatzes moderner Technik, trotz aller bei EUROPOL oder Interpol oder im Bundeskriminalamt gesammelter Daten, trotz Mobile Office und Crime Mapping und IKPO, trotz aller öffentlicher Aufrufe nicht lösen lassen, bleiben lebendig im kollektiven Gedächtnis der Menschen. Es sind nur wenige, aber es sind die spektakulären, die sich eingraben ins Bewusstsein. Es sind die voller ungelöster Rätsel, und sie sind allein schon deshalb ein Biotop für wild wuchernde Spekulationen. Je länger eine Tat unaufgeklärt zurückliegt, desto größer der Reiz für Amateure, zu beweisen, dass sie es besser können als die Profis, überzeugt davon, dass am Ende sie es sein werden, die einen solchen Fall lösen.
Das gilt für die angeblichen Hintermänner des Attentats auf US-Präsident John F. Kennedy 1963, das gilt für den Unfalltod von Lady Di in einem Straßentunnel 1997 in Paris, der angeblich inszeniert war vom britischen
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