BKA - Die Jaeger des Boesen
spätestens gegen 21.30 Uhr im Appartement 5A, um nach den Kindern zu schauen? Andererseits gab der ja später zu, nur auf Geräusche
geachtet und die Kinder nicht mit eigenen Augen gesehen zu haben. Nach Collins’ Theorie könnte sich ein Entführer, als er hörte, dass jemand die Wohnung betrat, in der es zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Badezimmer gibt, hinter der offenen Tür des Kinderschlafzimmers versteckt haben, um im Falle einer Entdeckung mit einem Sprung durch das Fenster in diesem Raum zu fliehen, das er zuvor geöffnet und dessen Jalousie er hochgezogen hatte. Wäre ja eine Erklärung dafür, dass die Polizei ein offenes Fenster bemerkte, was im Protokoll erwähnt wird, obwohl Gerald McCann beschwor, bei seinem Kontrollgang sei es geschlossen gewesen. Die beiden widersprüchlichen Aussagen von Oldfield – einmal erzählte er, nur auf Geräusche geachtet zu haben, einmal sagte er aus, die schlafenden Kinder gesehen zu haben – sorgten zusätzlich für Verwirrung.
Kaum war die Luft wieder rein, habe der Kidnapper, so Collins in seinem Szenario, die tief schlafende Maddie aus ihrem Bett gehoben, sei mit ihr zu seinem auf dem Parkplatz abgestellten Auto gegangen, habe sie in den Kofferraum gelegt und sei losgefahren. Als Kate ihr Verschwinden entdeckte, war er längst weit entfernt vom Tatort. Warum gibt es aber keinerlei Spuren am Fensterrahmen oder an der Tür, die eine solche Vermutung beweisen könnten? Fasern von Stoff? Fingerabdrücke?
Möglicherweise vorhandene Spuren eines Eindringlings seien zerstört oder wie die im Vorgarten zertrampelt gewesen, als die Polizei mit ihren Untersuchungen begann. Die Grenzstationen nach Spanien und der Flughafen in Faro sowie die umliegenden Häfen der Algarve wurden erst früh am anderen Morgen alarmiert. Es gab also bereits am Anfang der Ermittlungen schwerwiegende Fehler. Die setzten sich wie in einer Kette fort. Wollte Amaral mit seinen Vermutungen von eigenen Versäumnissen ablenken und deshalb die Schuld auf Maddies Eltern abwälzen? Brauchte er gar einen Sündenbock, um die eigene Haut zu retten?
Im Rückblick ist es geradezu abenteuerlich, manche würden sagen: geprägt von unverantwortlichen Handlungen eines Ermittlers, wie Amaral im Fall Maddie sich verhielt. Falls die Zeugenaussagen
übereinstimmten darin, dass Gerry McCann am Tisch der Bar saß, als seine Frau jenen Schrei ausstieß, »They have got her«, ohne den Namen Maddie zu erwähnen, hätte Amaral darauf verzichten müssen, den irischen Urlauber Smith an die Algarve einfliegen zu lassen. Denn der Mann, den die Iren auf ihrem Heimweg mit dem schlafenden Kind sahen, konnte dann logischerweise nicht McCann sein. Doch noch einmal ruhte Amarals letzte Hoffnung auf Martin Smith.
Am 9. September 2007 schaut sich der im Wohnzimmer seines Hauses in Drogheda, fünfzig Kilometer nördlich von Dublin, die Spätnachrichten auf BBC an. Die Sendung beginnt spektakulär mit der Ankunft der McCanns in England. Zwei Tage zuvor waren Maddies Eltern in Portugal zwar zu Verdächtigen erklärt worden, aber die Kriminalbeamten hatten nicht genügend Material, um sie verhaften zu können. Die McCanns hatten ein elfstündiges Verhör überstanden, dabei auf Fragen antworten müssen wie die, ob es Kate vielleicht zu viel geworden sei mit drei kleinen Kindern und sie sich in einem Anfall von Verzweiflung deshalb von einem Kind habe befreien wollen.
Die Briten waren über solche Anschuldigungen »tief verletzt«, so Kate McCann, und nach den aus ihrer Sicht verleumderischen Vorwürfen zurückgeflogen in ihre Heimat, um die Suche selbst zu organisieren. Seit Anfang Mai hatten sie in einem gemieteten Ferienhaus in Praia da Luz ausgeharrt, um vor Ort zu sein, falls die Polizei Maddie finden würde. Täglich stellten sie sich den Journalisten, auf deren Veröffentlichungen sie angewiesen waren, um ihre Tochter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Vorwurf, sie hätten dabei immer so kühl und emotionslos gewirkt, löste sich in Luft auf, als ein Sprecher der britischen Polizei erklärte, genau dies habe er den McCanns geraten, damit sich ein etwaiger Entführer, der ihnen zuschaute, nicht auch noch an ihrem Schmerz würde erfreuen können.
Nur kurzfristig hatten sie ihren Aufenthalt in Portugal unterbrochen, waren eine Woche lang durch Europa gereist, in einem Privatflugzeug, das ihnen ein reicher Industrieller spontan zur
Verfügung gestellt hatte, um bei Politikern Hilfe bei der Suche zu
Weitere Kostenlose Bücher