BKA - Die Jaeger des Boesen
Ihr Schicksal berührte nicht nur die, die sie kannten und liebten. Sondern die ganze Welt. Ihr Gesicht hinterließ Ankerpunkte im kollektiven Bewusstsein vieler Menschen.
Darauf vertraut drei Jahre danach auch ein Video, das die McCanns ins Internet gestellt haben und das jedermann jederzeit weltweit auf YouTube anklicken kann. Die Botschaft wird verbreitet in sieben Sprachen, darunter auch auf Deutsch, und zeigt Maddie in einer Computersimulation, wie sie heute aussehen würde. Bei der Produktion dieses Images haben Experten geholfen,
die sich mit der nötigen Technik auskennen. Die benutzen sie sonst bei ihren Fahndungen nach international agierenden Tätern, die sich im Laufe der Jahre verändert haben. Die Gesichtszüge eines Menschen aber bleiben dieselben. Maddie wäre immer noch erkennbar. Falls sie noch lebt.
Die erste Suchaktion damals 2007 verlief ungewöhnlich kompliziert. Zum einen, weil es Dutzende von Fehlmeldungen gab, von Dubai bis Marokko, sobald wieder jemand glaubte, in einem kleinen Mädchen die Gesuchte erkannt zu haben. Zum anderen, weil die Ermittler allen noch so vagen Hinweisen nachgehen mussten, um bloß nichts zu versäumen, und weil jede Ermittlung polizeiliche Kräfte bindet. Öffentlichkeit kann hilfreich sein, aber auch tödlich. Der oder die Täter könnten die Nerven verlieren, Maddie töten und sich ihrer Leiche entledigen.
Dass in die Ermittlungen wegen der Staatsangehörigkeit der Eltern britische Kriminalbeamte eingeschaltet werden, ist nur logisch. Im Sommer 2009 gerät der in einem Aachener Krankenhaus an Krebs leidende Patient Raymond Hewlett unter Verdacht, der Entführer von Maddie zu sein. Er war erstens etwa um die Zeit des Verbrechens 2007 an der Algarve in der Nähe von Praia da Luz und zweitens wegen Vergewaltigung einer Achtjährigen in England schon einmal verurteilt worden. Das hatte die Suche in einer speziellen britischen Datei ergeben, in der verurteilte Kinderschänder aufgelistet sind, und dadurch war man während der virtuellen Suche nach Maddie auf ihn gestoßen.
Die Namen aller verurteilten Sexualstraftäter, sowohl in Portugal als auch in Großbritannien, aller in europäischen Urlaubsgebieten auffällig gewordenen Pädophilen waren während der Ermittlungen durch die schnellen Rechner der Polizei gejagt worden. Falls sich Übereinstimmungen zwischen den bekannten Umständen beim Verschwinden von Maddie und ermittelten Tathergängen bei Fällen aus der Vergangenheit ergaben, wurden Kollegen in den jeweiligen Mitgliedsstaaten informiert. Der Mann im Aachener Krankenhaus passte ins Bild, er hatte aber mit dem Fall nichts zu tun, wie sich trotz eines fehlenden Alibis zweifelsfrei ergab.
Im Fall Maddie kann jede Theorie stimmig und jede Theorie auch unstimmig sein. Zum Beispiel jene Theorie, an die der anfangs mit den Ermittlungen betraute Gonçalo Amaral bis heute glaubt. Er ist überzeugt davon, dass es in Wahrheit gar keine Entführung gegeben hat, dass vielmehr die Eltern ihre Tochter infolge eines tragischen Unfalls tot in der Wohnung aufgefunden und spontan beschlossen hatten, sie verschwinden zu lassen. Und welches Motiv sollten sie gehabt haben? Sie hatten Angst, behauptet er, wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht belangt und verhaftet und verurteilt zu werden, was automatisch bedeutet hätte, dass es mit ihrer Karriere in England vorbei gewesen wäre. Unterstützt worden seien sie dabei von ihren Freunden, die ihre Aussagen so abgesprochen hatten, dass am Ende nur eine einzige Erklärung für Maddies Verschwinden übrig geblieben sei – sie müsse entführt worden sein.
Ein hoher Polizeibeamter aus Lissabon, nicht befreundet mit Amaral und zuständig für andere Geschäftsfelder der Organisierten Kriminalität in Europa, gibt seinem Kollegen Amaral in einem Gespräch mit mir vorbehaltlos recht. Es sei seiner Überzeugung nach so gewesen, sagt er mir, dass Maddies Verschwinden nicht etwa erst um 22 Uhr bemerkt worden ist, sondern dass sie schon seit Stunden tot war, als Kate McCann ihren Schrei ausstieß. Nicht ermordet von ihren Eltern, das nicht. Aber Opfer eines Unfalls in der Wohnung, in der sich zu der Zeit, als es passiert sein könnte, so gegen 18 Uhr, Kate allein mit ihren drei Kindern befand. Ihr Mann spielte da noch Tennis, die drei Kleinen waren nicht zu bändigen, weinten und schrien, sie habe vielleicht Maddie einen Klaps gegeben, weil sie sich anders nicht mehr zu helfen gewusst habe. Dabei sei Maddie unglücklich auf den
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