BKA - Die Jaeger des Boesen
alles Vorausgegangene in Schatten stellte«, schützte Herold als Präsident des Bundeskriminalamtes im Namen der Gesetze die Gesellschaft vor ihr. Deren Mitglieder bezeichneten sich als politische Kämpfer, und dementsprechend als politische Gefangene, sobald sie gefasst wurden, aber auf diese krude Logik fielen nur blauäugige Sympathisanten rein. Herold bekämpfte die Terroristen stattdessen als »schlichte Kriminelle«, was sie doppelt traf. Die Triebkraft für »ihren an Radikalität nicht zu übertreffenden Entschluss, in den Untergrund zu gehen, um zu morden, war ihr unbändiger, alles ausfüllender Hass auf das Bestehende«, erkannte er, zudem hätten sie sich in einem wahren Machtrausch befunden, weil sie brutal über Tod oder Leben glaubten entscheiden zu dürfen. Als Motiv verkündeten die selbst ernannten Revolutionäre, das Volk von seinen Unterdrückern befreien zu müssen. Doch das wollte schon deshalb nicht befreit werden, weil es gar nichts von der ihm angeblich widerfahrenen Unterdrückung spürte.
Die Rote Armee Fraktion fürchtete Herolds Taktik. Er war die Spinne im BKA-Netz, in dem sich die Terroristen verfingen, er war der Stratege, der sich in ihre Gedankenwelt versetzte – heute würde man sagen: dem es gelang, einen Trojaner in ihren Köpfen zu installieren und frühzeitig zu erahnen, wo sie beim nächsten Mal wahrscheinlich zuschlagen würden. Herold: »Der Terrorismus selbst sollte die Daten seiner Überwindung liefern.« Genau
dafür, für die Sammlung relevanter Daten im Kampf gegen Kriminalität, hatte er das Bundeskriminalamt systematisch ausgebaut, dessen Wirksamkeit erhöht, indem er nicht nur die Manpower stärkte, sondern die Beamten mit allen neuesten Errungenschaften der Technik ausstatten ließ. Ende 1976 konnten die Jäger des BKA Personen aus ihren gesammelten Daten herausfiltern, die »möglicherweise zu erwartende Kapitalverbrechen des folgenden Jahres verüben würden« (Herold). Scheinbar wussten die Beamten mehr über die Terroristen als die über sich selbst. Der kriminalistische Triebtäter im Amt war ihnen überlegen, denn der agierte nicht wie ein Polizist, der naturgemäß erst nach einer Tat mit den Ermittlungen beginnt, sondern verhielt sich wie ein Schachspieler, der die nächsten Züge des Gegners antizipierte, um auf alle Attacken vorbereitet zu sein.
Dafür musste er möglichst alles über sie wissen, ihre Gewohnheiten, ihre Eigenheiten, ihre an Tatorten hinterlassenen Spuren. Je mehr Daten er sammeln ließ, desto größer war die Chance, sie zu fassen. Die Stadtguerilla, wie sich die RAF selbst nannte, wäre auf dem Land aufgefallen, sie brauchte das Dickicht der Städte, und sie brauchte Geld für die Anmietung von Wohnungen, für den Barkauf von Autos, fürs Überleben auf der Flucht. Wie lange die Beute aus einem Banküberfall ausreichte, wann sie wohl wieder eine Bank ausrauben mussten – selbst das erschloss sich aus dem über sie gespeicherten Material.
Herolds Ruf bei denen, für deren Ruf er sorgte, die er mit seiner Leidenschaft ansteckte und antrieb, ist ungebrochen, auch dreißig Jahre nach seinem Abgang. Bevor ich aus der Festung BKA, in der damals auch er sich verschanzt hatte, hierher in die Stadt fuhr, in der er heute lebt, traf ich auf einem der verwinkelten Flure in Wiesbaden einen Kriminaldirektor aus der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität. Nicht besonders überraschend angesichts des Ortes sprachen wir über Verbrecher und Verbrechen, über Schuld und Strafe und Sühne auch. Plötzlich begann er von Herold zu schwärmen, den er nur vom Hörensagen kennt, über den er aber sagenhaft Gutes gehört hat.
Aus solchen Stoffen werden Legenden gewoben. Herold weist dies von sich, spielt alles herunter, reduziert seine Anmerkungen über die Zeit, der er nicht entronnen ist, heute eher auf die Ebene »Wenn Opa erzählt«. Doch das meint er natürlich nicht so. Jung geblieben im Kopf, kann er wie einst sich aufregen zum Beispiel über die Strafgesetzgebung, weil die »Sozialschädlichkeit bei Gerichtsurteilen im Vergleich zu Eigentumsdelikten« seiner Meinung nach völlig falsch gewichtet wird. Der Gesetzgeber stelle zwar Sachverhalte unter Strafe, die »das ethische Minimum verletzen, aber die Sozialschädlichkeit eines Tuns als Normgrund wird kaum berücksichtigt. Weil das leider weltweit so ist, kommen raffgierige Verursacher einer Finanzkrise, die die Existenz ganzer Staaten bedrohen, ungeschoren davon. Bei uns können
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