BKA - Die Jaeger des Boesen
mit der Begabung, viele für seinen Kampf zu begeistern. Der in Thüringen geborene Franke, ein Mann der Widersprüche, wird sowohl von denen, die zu ihm standen, als auch von denen, die ihn in den Ruhestand zwangen, als stur und sensibel beschrieben, als dynamisch und depressiv, wehleidig und wütend, empfindsam und empfindlich. Es war nie einfach mit ihm, sagen noch heute alle, die ihn persönlich erlebten beim Bundeskriminalamt. Sie erinnern sich an einen leidenschaftlichen Workaholic, der von ihnen aber nur das gefordert habe, was er sich selbst abverlangte. Die Freuden der Pflicht trieben ihn bis zur Erschöpfung, aber er war ihnen verfallen. Darum fehlten sie ihm so, als er von ihnen entbunden wurde.
Als ich den damals schon pensionierten Chef des Bundeskriminalamtes zum ersten Mal traf, wurde er nach wie vor von Personenschützern bewacht. Die hätten nie zugelassen, dass ich ihn an seinem Wohnsitz oder gar in seinem Haus aufsuchen würde, denn Herold galt auch mehr als zehn Jahre nach seinem Rücktritt als gefährdet. Sein Aufenthaltsort wurde geheim gehalten. Während seiner Amtszeit war er ein Fall für Gefahrenstufe eins und stets umgeben von sechs BKA-Beamten der Sicherungsgruppe. An jenem Vormittag in München, an dem wir damals verabredet waren, waren es nur noch drei, die seine Umgebung nie aus den Augen ließen. Sie überprüften die Lobby des Hotels, und sie wirkten dabei harmlos wie Gäste auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Zufrieden mit dem, was sie sahen, gingen sie nach draußen zu einer schwarzen Limousine, öffneten die hintere Tür und begleiteten danach ihren ehemaligen Chef zu dem Tisch, an dem ich bereits saß. Anschließend nahmen sie
Platz an einem anderen, von wo aus sie freies Blickfeld in Richtung Eingang hatten.
Seit März 1981 ist Horst Herold nicht mehr im Amt, aber noch die folgenden fünfzehn Jahre wurde er rund um die Uhr von Beamten des BKA oder des bayerischen Landeskriminalamtes geschützt. Die Terroristen von der Rote Armee Fraktion hätten ihn nach Überzeugung der Sicherheitsbehörden leidenschaftlich gern umgebracht, denn er symbolisierte wie kein anderer ihre verlorenen Schlachten. Er hatte die Strategie ausgeklügelt, mit der sie letztlich besiegt worden waren. Im geeinten Deutschland wurde Herold zeitweise von zwei unbelasteten ehemaligen Personenschützern Willi Stophs bewacht, bis 1989 Ministerpräsident der DDR, jenes Staates, in den sich einige der einst von Herolds Beamten gejagten Terroristen abgesetzt hatten. Sie glaubten in der zweiten deutschen Diktatur sicher zu sein vor dem gefürchteten langen Arm des BKA. Als die Mauer fiel, dauerte es aber nicht lange, bis sich das Bundeskriminalamt ihrer annahm und ihnen im Westen sichere neue Bleibe bot, ebenfalls hinter einer Mauer – und hinter Gittern.
Von ständigen Begleitern ist Horst Herold inzwischen befreit. Im Alter gehört er nur sich, nicht mehr dem Staat. Seine einstigen Todfeinde sind tot oder haben sich, zu Tode erschöpft, vom vorgeblich revolutionären Kampf losgesagt oder sitzen verurteilt wegen vielfachen Mordes ihre Strafe ab. Herold hat die RAF überlebt. Aber dafür muss er, der sich selbst nicht nur ironisch gemeint als »letzten Gefangenen der RAF« bezeichnet, zeitlebens bezahlen. Er ist zwar tatsächlich ein freier Mann, kann sich frei bewegen, ohne sich zuvor abmelden zu müssen. Die Freiheit hat dennoch ihre Grenzen. Der Bungalow, in dem er und seine Frau leben, liegt innerhalb eines Kasernengeländes. Auch das darf er jederzeit verlassen. Aber wegziehen kann er nicht. Ein Haus in dieser Lage kauft ihm niemand mehr ab.
Für die Regierenden, die seinen Rücktritt beförderten, schien es damals die einzig angemessene Lage angesichts der bestehenden Gefahrenlage. Kosten für Grundstück und Haus in Höhe
von rund 600 000 Mark musste Herold selbst bezahlen. Seitdem ist der Bungalow, auf dessen Terrasse wir jetzt an einem Sommernachmittag sitzen, seine Burg, umgeben von grauen Mauern, aber dank der nachwachsendes Leben schaffenden Natur sind die nicht mehr sichtbar, sondern verborgen hinter großen Bäumen und blühenden Sträuchern und starken Hecken, und in denen lauern keine Schützen mehr. Der Satz »My Home is my Castle«, der ganz anders gemeint ist von denen, die ihn zitieren, hat für Herold einen bitteren Beigeschmack.
Als die Baader-Meinhof-Bande mordend und bombend die Bundesrepublik erschütterte, mit einer »Serie von Terroranschlägen, deren Intensität, Brutalität
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