BKA - Die Jaeger des Boesen
weil sie mit denen unabsichtlich beim Verpacken die Wattestäbchen kontaminiert hatte. Eine Pointe, die jedem Drehbuchautor eines Krimis von seinem Regisseur gestrichen worden wäre.
Für diesen »DNA-GAU« kann zwar das Bundeskriminalamt nicht verantwortlich gemacht werden, eine das Amt betreffende Frage allerdings drängte sich dann doch auf: Wie viele der von den mittlerweile 820 194 in den Rechnern gespeicherten Erbinformationen – 658 525 Personendatensätze sowie 161 669 Tatortspuren – könnten auch auf einem bislang unbekannten, noch nicht entdeckten human factor beruhen, könnten auf ähnliche Weise entstanden sein wie jene Spuren, die auf ein Phantom hingewiesen haben? Monat für Monat kommen schließlich rund zehntausend neue Datensätze dazu. Die genial einfache Lösung, in einer gesonderten Datenbank die DNA-Profile aller bei zuliefernden Biotech-Firmen beschäftigten Mitarbeiter zu speichern, um einen Fall wie Heilbronn zu vermeiden, klingt zwar gut. Ist aber nicht machbar. Es gibt mehr als hundertdreißig solcher spezieller Firmen, verstreut in ganz Europa, und es gibt Datenschutzgesetze, die einen solchen Massentest ausschließen.
Was dagegen leichter machbar wäre – in Österreich mit einer Police Elimination Database (PED) teilweise in die Tat umgesetzt – , ist die Aufnahme der DNA-Profile aller bei Ermittlungen eingesetzter Exekutivbeamter, um Kontaminationen auszuschließen. Längst eine Selbstverständlichkeit, sagt mir ein Staatsschützer aus Meckenheim, machen wir schon lange. Und erinnert sich süffisant lächelnd an ein Erlebnis, das er in Österreich hatte, als bei einer gemeinsamen Tatortspurensuche die Kollegen dort fröhlich rauchten und dabei entsprechende Spuren hinterließen, die mit denen des Täters nichts zu tun hatten. Beschlossen wurde
die PED im Nachbarland, nachdem eine Untersuchung von etwa fünfundzwanzigtausend Spuren eine sogenannte Kontaminationsrate von knapp 0,5 Prozent ergeben hatte. Was im Klartext bedeutet, dass etwa hundertfünfundzwanzig der bei der Analyse biologischer Spuren gesammelten Daten nicht von möglichen Tätern stammten, sondern von denen, die sie jagten.
Modernste Methoden haben dazu geführt, dass in Deutschland über dreißig Prozent von einst ergebnislos in verstaubten Akten abgelegten Fällen erfolgreich wieder aufgerollt, die Toten erweckt und ihre Mörder verhaftet wurden. Sei es der Sexualmord an einer sechzehnjährigen Frankfurterin, wo dank DNA fünfundzwanzig Jahre nach der Tat 2006 der Täter gefunden wurde, sei es die Festnahme eines Mörders 2003, der 1988, also ein Jahr vor dem deutschen Umbruch 1989, in der damals real noch existierenden DDR in Brandenburg eine dreizehnjährige Schülerin umgebracht hatte.
Zum Vergleich (in diesem Fall dürfen BKA und FBI verglichen werden): In der zentralen Datei des Federal Bureau of Investigation sind die Fingerabdrücke von mehr als dreiundvierzig Millionen Amerikanern gespeichert. Alle Polizeireviere in den USA haben die technischen Möglichkeiten eines Zugriffs, ebenso die meisten Streifenwagen draußen im Land. Auch in Deutschland sind viele Polizeifahrzeuge mit einem Fast-ID-Scanner ausgerüstet. Falls es mithilfe eines mobilen Einzelfingerscanners bei der Überprüfung einen Treffer gibt, dauert es höchstens fünf Minuten, bis die Handschellen klicken, und falls sich bei AFIS nichts finden lässt, wissen die draußen vor Ort das auch nach zwei, manchmal nach einer Minute. Wenn Fingerabdrücke von Verdächtigen übereinstimmen mit den just an einem Tatort sichergestellten, ist ein Haftbefehl sowieso nur noch Formsache. Kein Richter zweifelt an solchen Beweisen.
Selbst solche Fingerabdrücke können aber lügen. In England hätte 1998 ein falsch zugeordneter Fingerabdruck eine junge Polizistin fast in den Selbstmord getrieben. Niemand wollte ihr glauben, dass sie den Tatort eines Verbrechens, bei dem eine alte
Frau bestialisch ermordet worden war, nie betreten hatte, obwohl dort eindeutig ihre Fingerabdrücke gefunden worden waren. Das hatte die Nachfrage in der bei Scotland Yard angelegten Datei ergeben. Zwar gelang es dann doch einer Task Force von Kollegen, die ihr glaubten, den wahren Täter zu überführen – und der wurde dann auch wegen Mordes verurteilt –, aber die Karriere der Polizistin war beendet. Ihre Vorgesetzten hielten sie nicht mehr für eine Mörderin, aber für eine Lügnerin, die vor Gericht einen Meineid geleistet hatte, weil sie beschwor, die Wohnung der Toten,
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