BKA - Die Jaeger des Boesen
Steuerhinterzieher von Millionen Euro durchaus mit einem Deal rechnen, der sie letztlich nur mit einer Nachzahlung, Geldbußen oder im schlimmsten Fall mit einer Bewährungsstrafe belastet.«
Niemand nenne sie Kriminelle, obwohl gerade ihr Handeln nun wirklich unter den Begriff der Sozialschädlichkeit fallen würde. In der Tat: Niemand wird beispielsweise einen Klaus Zumwinkel nach seiner Verurteilung als Kriminellen bezeichnen. Wer dagegen im »Warenhaus einen billigen Kamm klaut und erwischt wird, erhält das Stigma eines kriminellen Diebes«. Die Frage, wann die Interessen der Allgemeinheit mehr verletzt sind – bei einer von Banken initiierten Finanzkrise, bei Steuerbetrügern oder bei Schwarzfahrern und Kaufhausdieben, beantworte sich von selbst.
Der eherne Grundsatz des Strafrechts Nullum crimen sine lege , kein Verbrechen ohne Gesetz, bedeutet im Wortsinne, dass es schlicht keine Kriminalität gibt, wenn es entsprechende Paragrafen im Strafrecht nicht gibt. Es passierten aber schwerste Verbrechen, weiß der gebildete Jurist, die zu anderen Zeiten in anderen Systemen als normales Verhalten akzeptiert wurden, also ungestraft blieben. Herold gehört zu der Generation, die staatlich sanktioniertes Morden als Teil des Systems im Dritten Reich erlebt hat, vollzogen von einer willigen Polizei, vollstreckt von einer
willfährigen Justiz. Und von der alle nach 1945, insbesondere auch im Bundeskriminalamt, ungeschoren davonkamen. Sein Amt hat Horst Herold auch deshalb stets als moralische Verpflichtung betrachtet, als Dienst an einer freien Gesellschaft. Was bedeutet, dass er sich der bundesdeutschen Verfassung verpflichtet fühlte und nicht seinen jeweiligen Dienstherren. Die waren zwar seine Vorgesetzten, aber er ließ sie bei Gelegenheit gern spüren, was er in Wahrheit von ihnen hielt. Konflikte waren deshalb programmiert. Den Nachfolgern des damaligen Innenministers Hans-Dietrich Genscher, der ihn 1971 zum Chef des Bundeskriminalamtes ernannte, wurde er irgendwann zu mächtig.
Mag stimmen, dass er im Austeilen besser war als im Einstecken. Doch das galt ebenso für seine Kontrahenten. Als das Gerücht aufkam, gesteuert von denen, die ihm etwas anhängen wollten, er habe sich moralisch entrüstet darüber, dass der damalige Bundeskanzler Willy Brandt nachts in ebenjenem Hotel, in dem ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte, sich manchmal die Einsamkeit der Macht mit schönen Frauen erträglich gestaltete bis zum Morgen danach, stand er auch noch als Moralapostel da, als Denunziant. Von Brandts Amouren hätten ihm dessen Personenschützer erzählt, die ihm regelmäßig Bericht erstatten mussten, und daraufhin habe er den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Günther Nollau, informiert. Herold gab zunächst nichts auf solche Gerüchte. Erst als sich der ehemalige Bundeskanzler in seinen Memoiren darauf bezog, schrieb er an Willy Brandt. Der Preuße in ihm fühlte sich in seiner Ehre verletzt, und für die kämpft er, egal, wie lange der Kampf auch dauern mag. Es vergingen allerdings Jahre, bis er endlich unter dem Datum des 25. Oktober 1990 den Brief in den Händen hielt, den er für sein Seelenheil wollte:
»Lieber Herr Herold,
Sie haben mich wissen lassen, dass Sie sich durch meine Darstellung der Ermittlungen gegen den DDR-Spion Guillaume in meinem Erinnerungsbuch als ehemaliger Chef der Behörde
betroffen fühlen, deren Beamte in diese Vorgänge einbezogen wurden. Ich bedauere dies, da ich Sie als einen hochqualifizierten und äußerst korrekten Beamten geschätzt habe, auf dessen Arbeit ich mich als Bundeskanzler stets stützen konnte. Nach Ihrer Darstellung der Ereignisse vom April/Mai 1974 habe ich keinen Anlaß, Zweifel an Ihrem ordnungsgemäßen amtlichen Vorgehen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Willy Brandt«.
Arroganz der Macht warfen ihm vor allem diejenigen Ministerialen vor, die sich selbst mit Macht nach oben geboxt hatten und alle Tricks der Machterhaltung beherrschten. Seine ihm auf Zeit verliehene Macht, die des obersten deutschen Polizisten, spielte Herold aus, wenn es darum ging, die für den Kampf gegen das Verbrechen nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Er wollte nicht mehr Macht für sich, sondern für das Amt, denn nur dann konnte das BKA die Verbrecher wirksam bekämpfen, seine Aufgabe erfüllen. Seine Behörde sollte – und von der Richtigkeit dieser Strategie ist er bis heute unbeirrt überzeugt – eine »perfekte Einheit sein, die sich zentral konzentriert auf das
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