BKA - Die Jaeger des Boesen
in der ihr Abdruck gefunden worden war, nie betreten zu haben. Sie wandte sich an einen in England bekannten Forensiker. Der brauchte nicht lange für den Beweis, dass der am Tatort entdeckte vermeintliche Abdruck ihres rechten kleinen Fingers gar nicht von ihr stammte, sondern dieser vielmehr mit dem ihres linken Daumes aus der Personalakte verglichen worden war.
Für jedes Verbrechen gibt es nicht nur ein passendes Gesetz. Es muss im Bundeskriminalamt zunächst einmal definiert werden, um welche Art von Verbrechen es sich in einem Fall handelt. So unterschiedlich wie die Verbrechen sind auch die unterschiedlichen Ausbildungen der Beamten, und es wäre eine Vergeudung von besonderen Fähigkeiten, wenn beispielsweise die auf Internetkriminalität spezialisierte Expertin bei Bedarf als Personenschützerin eines mit Freunden durch die Welt fliegenden deutschen Außenministers eingesetzt werden würde.
Den legendären langen Arm des Bundeskriminalamtes haben Staatsfeinde bereits in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu fürchten gelernt, in jener bleiernen deutschen Zeit, als die Terroristen der Rote Armee Fraktion mordend durchs Land zogen und davon überzeugt waren, dass der Staat, der sie im Namen des Gesetzes jagen ließ, sich als das entlarven würde, was sie ihm unterstellten – als faschistisch. Woraufhin dann, so ihr Wahnglaube, das Volk sich erheben und die Revolution ausrufen würde.
Der damalige Chef des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, aber hatte sich nicht nur verlassen auf einen langen Arm, was für
die besonderen Fähigkeiten seiner zugreifenden Beamten stehen soll, sondern alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft und den Bundeskriminalisten das in diesen Zeiten modernste Werkzeug an die Hand gegeben, um den sich als revolutionär links gerierenden Desperados das blutige Handwerk zu legen. Das schaffte der Intellektuelle an der Spitze des Amtes dadurch, dass er alle erreichbaren Informationen und Tatortspuren durch Rechner jagen ließ, um für die Fahndung relevante Daten über Täter und deren Verhalten zu bekommen. Danach konnte man basierend auf Zahlen und Querverbindungen und Auffälligkeiten die Ermittlungen steuern und tatsächlich manchmal vor den Tätern am Tatort sein.
Das alles habe ich mir angelesen, bevor ich mich auf die Reise machte von Wiesbaden an den Ort, in dem Horst Herold lebt. Ich verlasse die Festung und fahre in die seine.
Aber ich werde wiederkommen.
KAPITEL 2
Der Mann, den die RAF hasste
A m Bahnhof der oberbayerischen Stadt, die mit aquarellfarbenen Häuserfassaden Lust auf Italien macht, wartet auf mich ein alter Mann. Er ist siebenundachtzig. Ein langes Leben hat Spuren hinterlassen, weshalb er ein wenig gebeugt dasteht, doch das ist ja nicht ungewöhnlich bei Männern seines Alters. Was man Horst Herold nicht ansieht, sind die seelischen Folgen der Nackenschläge, die ihn gebeutelt haben. Sie taten weh, und manche tun immer noch weh, das schon. Aber er hat sich nie gebeugt und von ihnen auch dann nicht verbiegen lasen, wenn er selbst seine einzige Stütze war.
In einem Gespräch mit dem linksliberalen Publizisten und Rechtsanwalt Sebastian Cobler, dessen veröffentlichte Meinung der linksliberale Jurist und Polizist Horst Herold kannte und schätzte, jedoch nicht teilte, gab er sogar mal zu, dass er sich am wohlsten fühle, wenn er alleine sei. Das war er damals natürlich nie, denn selbst innerhalb der Festung BKA hielten auf dem Flur vor seinem Zimmer stets ein paar starke Männer Wache. Sobald er das Amt verließ, ließen sie ihn Tag und Nacht erst recht nicht aus den Augen.
Bedingung für ein Interview mit Cobler im Juli 1980 in Herolds Büro im Bundeskriminalamt war die Zusage, dass ihm die zum Druck vorgesehene gekürzte Fassung des mehrstündigen Dialogs zur Genehmigung vorgelegt würde. Das geschah. Horst Herold beugte sich über den Text, las und machte Vorschläge für Änderungen und Kürzungen. Cobler war damit nicht einverstanden und hielt sich deshalb nicht an seine Zusage. Das von Herold
nicht autorisierte Interview erschien im Monatsmagazin »Transatlantic«, die Äußerungen des BKA-Präsidenten wurden in der gesamten deutschen Presse zitiert. Herold klagte, weil seine Antworten in einzelne Bestandteile zerlegt und sinnentstellend gedruckt worden waren, und da er in dem Fall recht hatte, bekam er recht. Seine Sätze aber, seine Worte, hingen fortan über ihm.
Unbestritten ist, dass Herold ein Einzelkämpfer war, allerdings einer
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