BKA - Die Jaeger des Boesen
möglichst viele Beamte beförderte, hielt Herold für keine so gute Idee, denn die Beförderten würden ja dank der Beförderung nicht besser. Allenfalls würde ihre mangelnde Befähigung durch höhere Dienstgrade zementiert. Herold setzte sich durch.
Dass er Sozialdemokrat war, sprach allerdings nicht gegen ihn. Sein Aufstieg an die Spitze der Behörde fiel in die Zeit der sozialliberalen Koalition. Dieser politische Wandel, die überfällige geistig-moralische Erneuerung der Nachkriegsdemokratie, war getragen von der Mehrheit der damals noch leidenschaftlich zur Wahl gehenden Bürger. Denkmuster aufzubrechen galt auch für das durch zu viele ehemalige Nazis in Spitzenpositionen belastete
Bundeskriminalamt als Gebot der Stunde. Die ehemaligen Parteigenossen waren zwar mittlerweile geräuschlos in den Ruhestand entsorgt worden, nachdem der Skandal ihrer Biografien öffentlich geworden war, aber der Geist, den sie verbreitet hatten, miefte noch auf den Fluren.
Herold musste, frei nach Karl Marx, die bestehenden Verhältnisse zum Tanzen bringen, auch die in der Festung Bundeskriminalamt. Der promovierte Jurist kannte zwar den Gesellschaftstheoretiker Marx und dessen Schriften, berief sich bei passender Gelegenheit gern auch auf Hegel, was ihm als intellektuelle Arroganz ausgelegt wurde, aber lieber zitierte er aus den »Handorakeln« des spanischen Jesuiten und Philosophen Baltasar Gracián. Bei dem fand er – und findet er bis heute – Einsichten und Kernsätze, die zu seinen passten: »Die Dinge gelten nicht für das, was sie sind, sondern für das, was sie scheinen. Selten sind die, welche ins Innere schauen. Recht zu haben reicht nicht aus.«
Herold erhöhte zunächst einmal die Schlagkraft der Behörde, zu der damals tausendeinhundert Beamte gehörten und die über einen Jahresetat von knapp vierzig Millionen Mark verfügte, investierte in Technik und in das entsprechend kundige Personal, baute Zug um Zug das Amt zur Festung aus. Eine, wie sich herausstellen sollte, weitsichtige Investition in die Zukunft. Als die Rote Armee Fraktion dem Staat den Krieg erklärte, war das Bundeskriminalamt vorbereitet für den Kampf gegen die Staatsfeinde Nummer eins genannten Desperados. Es ging vieles, was sonst der Behörde laut BKA-Gesetz strikt untersagt ist. Nämlich nicht nur laut besonderem Auftrag zu ermitteln, sondern in Eigeninitiative aktiv zu werden bei der Gefahrenabwehr, denn es war kaum erfolgversprechend, den Terrorismus wirksam zu bekämpfen, wenn das Bundeskriminalamt zwar den Ermittlungsauftrag hatte, aber keinen Zugriff bei drohender Gefahr.
Eine solche vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung hat zudem, bis heute, Auswirkungen auf die Motivation der Beamten. Die dürfen nicht alles, was sie können. Selbst im aktuellen BKA-Gesetz von 2008 gibt es allenfalls partielle Verbesserungen, aber
keine grundsätzlichen. Aktiv zu werden gegen den längst internationalen Terrorismus ist zwar jetzt den BKA-Beamten erlaubt, aber mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem die bislang übliche Art der Vorratsdatenspeicherung untersagt wird, ist ihnen ein wesentliches Instrument für diesen Kampf genommen worden. Es gebe, sagt mir Wochen später ein Bundesanwalt in Karlsruhe, keinen einzigen Fall, bei dem Missbrauch betrieben worden wäre bisher, dass ihm beispielsweise Ermittler sozusagen unter vier Augen gesagt hätten, gebt uns doch schon mal unabhängig von der Rechtslage ein paar hilfreiche Daten. Alle für die innere Sicherheit zuständigen Behörden aller europäischer Staaten haben es einfacher. In denen sind Aufklärung plus Abwehr plus Information, also Datensammlung und Datenspeicherung, in einem Amt vereint.
Mit dem klassischen Bild eines Sherlock-Holmes-ähnlichen detektivischen Genies konnte Herold nie etwas anfangen. Er glaubte zu wissen, dass es so viele Genies, wie er brauchen würde, einfach nicht gab. Also brauchte ein Amt wie das BKA nicht nur geniale Ermittler. Er ließ deshalb schon früh keinen Zweifel daran, dass er vorhatte, ein verkrustetes System zu zerlegen und gleichzeitig parallel dazu ein effizientes aufzubauen. Das machte ihn bei den jüngeren Mitarbeitern nachhaltig beliebt, sie fühlten sich von einem Mann vertreten, der den anderen, die sie jagen sollten, eine durchdachte Strategie entgegensetzen wollte statt des üblichen martialischen Aktionismus. Herold verstand es, sie zu motivieren.
Was von der wachsamen Öffentlichkeit als Rasterfahndung teils beargwöhnt,
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