BKA - Die Jaeger des Boesen
bewältigenden Hürden aufgelistet: Voraussetzung für den Beruf eines Fallanalytikers ist das Abitur, danach müssen die Kandidaten einen Eignungstest über sich ergehen lassen und, falls sie den bestehen, an einer polizeilichen Fachhochschule studieren, was drei Jahre dauert. Anschließend dürfen sie praktische Erfahrungen sammeln in bestimmten Bereichen krimineller Delikte und diese noch einmal fünf Jahre lang bei der speziellen Ausbildung zum Fallanalytiker vertiefen. So etwas halten nur die Besten durch, Frauen wie Männer, denn vom Abitur bis zum ersten Einsatz als das, was nun mal landläufig Profiler genannt wird, vergehen etwa fünfzehn Jahre.
Fast alle Mitarbeiter, die ich im Bundeskriminalamt in den verschiedenen Deliktsbereichen getroffen habe, sind emotionslose, professionelle Jäger des Bösen, verpflichtet ausschließlich dem Rechtsstaat und seinen Gesetzen. Sie wissen sich auf der richtigen Seite, der legalen, aber sie wissen aufgrund vieler Erfahrungen auch, dass es im Zweifelsfall Gerechtigkeit erst beim Jüngsten Gericht geben kann. »Wir sind«, definiert das Wesen von KI sein Chef Carl-Ernst Brisach, der wenige Monate nach unserem Gespräch in die Leitung der Zentralen Kriminalpolizeilichen Dienste (ZD) wechselte, »ein Forschungsinstitut für die Polizei, schweben nicht wissenschaftlich im luftleeren Raum auf der Suche nach womöglich noch nicht gestellten Fragen, sondern sind darauf konzentriert, die Fragen, die wir aus der Praxis bekommen, zu lösen.«
Das klingt ernüchternd nach Dienstleister, und genau so ist es gemeint. Er weist auf ein Blatt, das hinter mir an der Wand baumelt, und als ich lese, was dort gedruckt steht, holt mich mal wieder die Vergangenheit ein. Formuliert hat die Merksätze bei seinem Amtsantritt Horst Herold unter der Überschrift »Selbstverständnis
des Kriminalistischen Instituts«. Das gilt offenbar auch noch heute, vierzig Jahre danach, denn sonst, logisch, würden Herolds Merksätze nicht mehr im Amtszimmer von Brisach hängen:
»Das Kriminalistische Institut des BKA sieht sich als polizeiliche Institution, die innovativ und zukunftsorientiert
neue oder noch unbeantwortete (kriminal)polizeiliche Fragestellungen und Problemlagen im nationalen/internationalen Kontext aufgreift, dokumentiert und analysiert,
Lösungswege und -methoden erforscht und entwickelt,
diese in Form von Beratungs- und Serviceleistungen Bedarfsträgern zur Verfügung stellt,
die (Forschungs-)Ergebnisse in die kriminalpolizeiliche Aus-und Fortbildung einbringt.«
Um diesen Auftrag zu erfüllen, gibt es im Institut drei Fachgruppen: KI 1 und KI 2 sind zuständig für Kriminologie, Kriminalistik, Recht und Technologie, KI 3 für Aus- und Fortbildung. Die dritte Gruppe interessiert mich allenfalls am Rande, weil ich trotz aller sich ergebenden Schnittmengen von journalistischen Recherchen und polizeilichen Ermittlungen nicht vorhabe, den Beruf zu wechseln. Sinnvoll fürs BKA ist KI 3 allemal, denn was in KI 1 und KI 2 erforscht oder entwickelt wurde zur Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus, Menschenhandel, Wirtschaftskriminalität usw., alles also, was die zukünftige Arbeit der Polizei beeinflusst, wird eingearbeitet in die Lehrpläne. Das ist die Pflicht. Zur Kür, die alle Wissenschaftler lieben, und eben auch jene im Kriminalistischen Institut, gehören Forschungen, ausgehend von Fragen, die bisher noch keiner gestellt hat. So lässt sich kriminologisches Neuland erobern.
Anschließend sagen die von KI zu den Kollegen von KT, der Kriminaltechnik, schaut mal, was wir uns ausgedacht und erforscht haben, schaut mal, ob sich unsere Theorien, unsere Konzepte umsetzen lassen in der Realität, ob das die Beamten draußen
anwenden können bei ihrer Arbeit. Denn zu entwickeln, was keiner im BKA braucht – so schön es sich auch in Fachkreisen lesen mag –, wäre kontraproduktiv.
Deshalb verlassen die Mitarbeiter des Instituts, insgesamt mehr als sechshundert aus mehr als fünfundzwanzig unterschiedlichen Berufen, auch die Pädagogen und Psychologen, die Naturwissenschaftler und die Sozialwissenschaftler und insbesondere die Techniker, regelmäßig ihren Wiesbadener Elfenbeinturm, gehen hinaus ins wahre Leben, begleiten die Kriminalpolizei bei Einsätzen. Es sei schließlich nicht gerade besonders hilfreich, ein tolles neues technologisches Überwachungsinstrument zu entwickeln, erklärt mir Brisach, das am Ende draußen keiner bedienen kann, weil es zu kompliziert ist. Also schicken sie
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