BKA - Die Jaeger des Boesen
dem so wäre, könnten das Fallanalytiker für ihre Arbeit umsetzen. Nicht nur unter kriminalistischen Aspekten hochinteressant war eine Arbeit über sogenannte Ehrenmorde. Die Erkenntnisse aus fünfundfünfzig aktenkundigen Fällen in einem Zeitraum von zehn Jahren wären bei der durch Thilo Sarrazin losgetretenen Debatte über angeblich oder tatsächlich mangelnde Integrationsbereitschaft von türkischen Migranten gerade für Politiker sehr aufschlussreich. Bekanntlich helfen Fakten gegen Populisten am besten. Die Studie, die in Kooperation mit einem
Projekt des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht entstand, beschäftigte sich mit familiären Tötungsdelikten in europäischen Ländern und untersuchte, ob es in Deutschland mehr davon gibt oder weniger als beispielsweise in Frankreich, Italien, Spanien.
Das Dunkelfeld der Organisierten Kriminalität ist jetzt und in Zukunft die größte Herausforderung nicht nur für die speziell dafür zuständige Abteilung, sondern auch für die sonstigen Experten von KI, egal, ob es dabei in der Technologieforschung um die Entwicklung legaler Methoden der Online-Durchsuchungen geht, um Strategien gegen Menschenhandel, um besseren Schutz von zur Aussage bereiten Opfern vor der Rache der Kriminellen, um Ergebnisse aus der systematischen Beobachtung von Korruption, um betrügerische Finanztransaktionen, um die juristisch abgesicherte Speicherung gewonnener Informationen im Referat KI 14 oder auch um die Frage, was der entwickelte Technologieradar für die polizeiliche Früherkennung von Straftaten im Internet bringt.
Was ist Technologieradar? Ich stütze mich mal wieder auf eine amtliche Definition, wonach es sich um eine für die »Praxis der Strafverfolgung nützliche Methodik zur frühzeitigen Identifikation, Auswahl und Bewertung von Technologien und Technologiefeldern« handelt. Übersetzt in meine Sprache: Je früher man auf dem Radarschirm erkennen kann, aus welcher Ecke sich das Böse nähert, desto schneller lässt sich darauf reagieren. KI also bereitet das BKA auf solche kommenden Bedrohungen vor. Carl-Ernst Brisach: »Ich glaube, polizeiliche Arbeit basiert sehr stark auf Erfahrung. Polizisten tun sich nach wie vor unglaublich schwer, Theorien in die Praxis umzusetzen und Chancen zu nutzen oder auch nur zu sehen, welche gewaltigen Chancen in solchen theoretischen Konzepten für sie liegen.«
Als es noch keine Scanner gab, keine Datenbanken, keine leistungsstarken Rechner, als gar bei der Bestellung von Farbdruckern nachgefragt wurde, ob das denn wirklich nötig sein, Schwarz-Weiß hätte es doch bisher auch getan, fand der Fortschritt in den
Köpfen statt. In denen der Ermittler. Oder besser: in den Köpfen einiger. Denn der klassische Ermittler vertraute lieber sich und seiner Befähigung als der modernen Technik. Darin wurde er unterstützt von denen, die das Geld für Fortschritt bewilligen mussten – zum Beispiel für die Anschaffung von Farbdruckern, weil sich da kriminologische Schaubilder besser darstellen ließen –, den Beamten des Bundesinnenministeriums.
Max-Peter Ratzel setzte früh auf Technik, die seine Arbeit im BKA erleichterte, legt aber Wert darauf, nicht als naiver Fortschrittsgläubiger interpretiert zu werden, denn er habe nie Technik als Selbstzweck gesehen, sondern »immer als Dienstleister für uns, die Polizei«. Doch er blieb ihr treu wie einer ersten Liebe. Insofern war 2004 seine Berufung an die Spitze von EUROPOL, einer Behörde, die es ohne die Fortschritte in der modernen Technik gar nicht geben würde, die Erfüllung seiner Sehnsucht. Falls im Zusammenhang mit der Jagd auf Kriminelle das Wort »Sehnsucht« erlaubt ist. »Seh-Sucht« wäre besser, nämlich die Sucht, mehr sehen zu können, mehr zu erkennen als andere.
Ratzel hatte sich nie auf das verlassen, was er schon wusste, sondern nach dem gesucht, was ihm noch verborgen war. Ermittlungen auf zwei wesentlichen Dunkelfeldern bestimmten früher die Arbeit des Bundeskriminalamtes: Bekämpfung des Terrorismus und Bekämpfung der Schwerverbrecher, was man inzwischen unter dem Begriff der Organisierten Kriminalität kennt: »Man definierte das jedoch nicht allgemein als Organisierte Kriminalität, sondern teilte die einzelnen Fachabteilungen auf in organisierte Rauschgiftkriminalität, organisierte Wirtschaftskriminalität, organisierte Waffenkriminalität usw. Entsprechend wurden die Referate besetzt und nicht miteinander verknüpft, weil das gemeinsame Dach noch
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