BKA - Die Jaeger des Boesen
übers Wochenende ein Fernschreiben liegen geblieben mit in der Tat sachdienlichen Hinweisen auf das Versteck, in dem der Arbeitgeberpräsident von der RAF gefangen gehalten wurde – ist heute faktisch ausgeschlossen. Der damalige BKA-Präsident Horst Herold konnte in den Hochzeiten des bleiernen deutschen Herbstes bei Eilmeldungen aus Wiesbaden nur auf das zurückgreifen, was damals technisch bereits möglich war. Das war noch nicht so viel. Als er mal wieder zu einem Tatort der RAF unterwegs war mit einem Hubschrauber
des Bundesgrenzschutzes, der heute Bundespolizei heißt, ergab die Spurensicherung nach einem von der RAF begangenen Banküberfall eine neue Lage, was deren Verstecke betraf. Das sollte Herold sofort erfahren, denn er als BKA-Chef musste schnellstmöglich entscheiden, ob die Wohnungen zunächst nur beobachtet oder ohne Zeitverzögerung gleich gestürmt werden sollten. Der Pilot, über Funk alarmiert, landete sofort irgendwo am Rand eines Ortes, Herold eilte – man mag es kaum glauben heute in Zeiten von Handy und Internet – zur nächsten Telefonzelle, natürlich unter Begleitschutz, telefonierte mit dem Amt in Wiesbaden, eilte zurück zum Landeplatz, stieg wieder in den Hubschrauber und gab das neue Ziel an.
Menschlichem Versagen geschuldete Fehler kommen bekanntlich in allen großen Firmen vor, sie sind dem System jeder Organisation immanent. Wenn Pannen in der Firma BKA passieren, bei operativen Einsätzen zum Beispiel, oder wenn wie im Fall Schleyer durch ein vergessenes Fernschreiben ein operativer Einsatz nicht mal stattfinden kann, haben sie mitunter aber tödliche Folgen. Es ist ein gängiges Verfahren aller Organisationen, das Versagen Einzelner möglichst lange zu leugnen, um das Ganze zu schützen. Vertreter der vierten Gewalt, wir Journalisten, könnten jedoch alle erst mal ein Lied über eigenes Fehlverhalten singen, bevor wir andere bewerten.
Hier jedoch wird aus einem einzelnen Betriebsunfall ein typischer Fall namens Bundeskriminalamt, gerät damit auf eine andere, eine politische Ebene. Auf der melden sich ernst zu nehmende sachkundige Kritiker zu Wort, aber auch Verschwörungstheoretiker, die seit jeher – und immer noch – davon überzeugt waren und sind, dass in der Festung BKA finstere Mächte wirken, so wie einst der Nazimännerbund in den Anfangszeiten, erfahren in der Kunst des Vertuschens. Kurz: Dass es sich zwar nicht mehr um einen Männerbund handelt, aber um eine Art geheimer Bruderschaft, die sich allen Kontrollen entzieht.
Daraus ließe sich der Stoff für einen spannenden Krimi entwickeln, aber das ist fern der Wirklichkeit. Doch ein über Jahrzehnte
gewachsenes Missverhältnis zwischen dem selbstverständlichen Anspruch der Öffentlichkeit auf Information und der offenbar genetisch verankerten Neigung des Amtes, sich mit seiner Arbeit der Öffentlichkeit zu entziehen, hat Spuren hinterlassen, auf beiden Seiten. Die einen blocken selbst die harmlosesten Fragen nach ihren Tätigkeiten ab, die anderen vermuten hinter jeder Antwort den Versuch, vom eigentlichen Thema abzulenken. Ein Tag der offenen Tür in Wiesbaden ersetzt nicht wirklich offene Türen.
Es erleichterte mir hin und wieder die Verständigung, wenn ich zugab, dass es in meiner Branche ebenso viele präpotente Nullnummern geben dürfte wie bei der Polizei. Dass sich aber, da wie dort, jeder einzelne Fall von allen anderen Fällen unterscheidet und keiner pauschalisiert werden darf. Darauf konnte man sich einigen. Vor allem mit Willi Fundermann. Denn der fällt aus dem üblichen Rahmen der polizeilichen Karriere. Er kennt die Begehrlichkeiten der Medien, hat früher in verschiedenen Zeitungen und Fernsehredaktionen hospitiert, war sogar mal beobachtender Praktikant beim nicht als BKA-affin bekannten Magazin »Stern«. Er weiß deshalb um das Misstrauen der Seinen und die Neugier der Meinen, weiß um die Überschneidungen von Ermittlungen und Recherchen. Was die Suche nach Wahrheit betrifft, sind die Seriösen beider Seiten vom gleichen Stamm. Selbstverständlich weiß er auch, dass dabei Fehler passieren können, dass Pannen oder gar Super-GAUs wie die gefälschten Hitler-Tagebücher oder die BKA-Aktion in Bad Kleinen trotz aller Prävention eben nie auszuschließen sind.
Wichtig ist, meinte später auch Max-Peter Ratzel, und ich ahnte, dass er aus eigener Erfahrung spricht, Fehler erstens offen zuzugeben, und zweitens, noch wichtiger, aus den begangenen für die Zukunft die notwendigen, die richtigen
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