BKA - Die Jaeger des Boesen
Ordnung zu helfen. Die vertrat er später bei der ZERV, der Zentralen Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität in Berlin, in Prozessen gegen Todesschützen an der Mauer. Erst danach, als er 1998 nach Halle in Sachsen-Anhalt versetzt wurde, begann sein Kampf gegen Kinderpornografie. Eigentlich eher zufällig. Wie denn?
Er trinkt einen Schluck Wasser und tunkt mit einem Stück Brot den Rest der Spaghettisauce aus dem Teller, als brauche er die paar Sekunden, um seine Erinnerungen zu ordnen. Der Jurist hat es gern präzise. Es war so, meint er dann, dass der damalige Behördenleiter zu ihm einen denkwürdigen Satz sagte, an den sich Vogt noch heute wörtlich erinnern kann: »Wir haben hier eine Zentralstelle, die soll sich um Kinderpornografie kümmern, das übernehmen Sie.« Und hinzufügte, er fürchte, dass da etwas aus dem Internet auf sie zukomme, dass man dringend Strukturen aufbauen müsse, um auf diese neuen Delikte vorbereitet zu sein.
Das Internet war Vogt fremd, doch das ging seinen Kollegen nicht anders, den Kommissaren und Sachbearbeitern, mit denen Vogt später die Abteilung aufbaute. Anfangs durfte er sich zwar
auf dem Türschild seines Büros Leiter der Zentralstelle nennen, aber er hat sich nur selbst geleitet, denn er war damals der einzige Mitarbeiter in diesem Dezernat. Nach und nach gab es Planstellen, erst dann begann die eigentliche Arbeit. Zunächst mit einer Strategie. Vogt: »Wir haben die Experten vom BKA eingeladen und die Sachbearbeiter von der Sitte aus verschiedenen Polizeidirektionen in Sachsen-Anhalt, uns für drei Tage in einer ehemaligen Fortbildungsstätte der Volkspolizei eingeschlossen und diskutiert und natürlich abends auch mal gemeinsam ein Bier getrunken, uns so auch menschlich besser kennengelernt, nicht nur im Austausch über die Sache, und danach ging es dann los innerhalb fester Strukturen.«
Seitdem kennt Vogt auch Hauptkommissar Holger Kind aus der Zentralstelle für Kinderpornografie des Bundeskriminalamtes. Der war damals dabei und ist nach wie vor in dem Referat tätig. Bei Fortbildungskursen und Seminaren, die der in Hamburg ansässige Opferverein »Dunkelziffer« regelmäßig anbietet, gehört er aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen zu den wichtigsten Referenten. Die Öffentlichkeit ist dabei stets ausgeschlossen. Seit Vogt Ende 2008 in ein anderes Referat wechselte, arbeitet Kind mit Staatsanwalt Andreas May von der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main zusammen. Beide halten es für wichtig und richtig, dass der später bei einem Prozess zuständige Staatsanwalt, in dem Fall May, bereits am Anfang der Ermittlungen einsteigt und dann jeden Schritt der Kriminalbeamten beratend oder tätig mit begleitet.
Richtig, nickt Vogt, richtig. So muss es immer sein. So war es bei ihm in Sachsen-Anhalt, und so sind ihre Erfolge im Kampf gegen Kinderpornografie zu erklären. Jeder Einzelne aus der Gruppe war vertraut mit den Eigenheiten und Eigenschaften des anderen. Was einer nicht verstand, erklärte der andere. Vogt zum Beispiel hatte nicht die geringste Ahnung von der Technik, die hinter dem Prinzip Internet steht. Einen Anschluss, um online gehen zu können, bekam er erst 2001. Die Experten, die damit umgehen konnten, verstanden wiederum oft nicht, warum Vogt bei
manchen Verfügungen und Anordnungen so großen Wert darauf legte, dass alles in einer bestimmten, nur Juristen verständlichen, aber nun mal notwendigen Sprache verfasst wurde. Als er anfing, betrafen von den rund hundert Verfahren in Sachen Pornografie nicht mal die Hälfte, genau siebenundvierzig, Kinder- und Jugendpornografie. Und bei den Delikten handelte es sich meist um irgendwelche an Jugendliche verkaufte Schmuddelheftchen. Zehn Jahre später bezogen sich bereits fast alle entsprechenden Strafverfahren in Sachsen-Anhalt, genau zweiundneunzig Prozent, auf Täter, die im Internet aufgefallen waren.
Klassische kriminalpolizeiliche Ermittlungsmethoden bleiben entscheidend. Auf Fotos aus dem Internet, die den Missbrauch eines kleinen Jungen durch einen Erwachsenen zeigten, entdeckten die Beamten aus Vogts Gruppe im Hintergrund eine Limonadenflasche, die selten im Westen, hauptsächlich in den neuen Bundesländern verkauft wurde. Das Bild druckten sie aus, machten davon tausend Kopien und schickten es mit der Bitte um Hilfe an alle sechshundert Grundschulen. Vier Tage später meldete sich beim Landeskriminalamt eine Lehrerin, die auf dem Foto einen ihrer ehemaligen
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