BKA - Die Jaeger des Boesen
Tausch von Kinderpornografie. Vogt: »Das entsprach etwa einer Strecke von 197 Kilometer Papier.«
Zwar schafft es ein erfahrener Ermittler, pro Stunde rund 3000 Bilder zu durchforsten, aber die Menge war zu groß für das kleine Bundesland. Zwei Sachbearbeiter, der zuständige Kommissar des LKA und Staatsanwalt Vogt, fuhren deshalb in die Zentralstelle des Bundeskriminalamtes. Gemeinsam entwickelten sie mit den Beamten dort eine Gesamtstrategie für das weitere Vorgehen: EUROPOL und Interpol bekamen die Adressen aus dem Ausland, darunter übrigens auch sieben Anschlüsse aus dem Vatikanstaat, in Deutschland sollten in zeitgleich stattfindenden Razzien rund fünfhundertfünfzig Wohnungen durchsucht werden.
Sogar vom Justizministerium in Washington kam eine Ermittlerin angereist, um die Aktion live zu erleben. Alles, was von den Funden der deutschen Beamten in den einzelnen Bundesländern auf Personen im Ausland hinwies, gaben sie an die Zentralstelle des BKA weiter und die wiederum an ihre Kollegen in den entsprechenden Ländern. In Sachsen-Anhalt, wo alles mit den Ermittlungen gegen einen arbeitslosen Trockenbauer begonnen hatte, wurden vierzehn Kinder aus sexuellem Missbauch befreit, der auf Bildern festgehalten wurde. Als die Beamten mit Durchsuchungsbefehlen bewaffnet bei Verdächtigen klingelten, waren mitunter nicht zufällig Fernsehteams dabei. Das gehörte zum Konzept, um potenzielle Täter durch den Anblick der Festgenommenen nachhaltig abzuschrecken. Selbst dann, wenn bei der Ausstrahlung ihre Gesichter gepixelt wurden – ähnlich wie von ihnen auch die Gesichter der Kinder anonymisiert wurden –, erkannten Nachbarn ihre heimische Umgebung, und damit allein schon wäre der Mann auf Dauer bestraft, selbst dann, falls es am Ende beim Prozess nur zu einer Geldstrafe reicht.
Peter Vogt neigt nicht zur Resignation und auch nicht dazu, lieber den Mund zu halten, statt laut seine Meinung zu sagen. Der furchtlose Jurist argumentiert aber dabei immer so, dass er unangreifbar bleibt. Zum Beispiel beim Dauerthema Datenvorratsspeicherung. »Ich habe kein Problem damit, wenn mir die Gesellschaft, vertreten durch das oberste Gericht und die Politik, aufträgt, künftig darauf zu verzichten. Dann aber muss die Gesellschaft mit den Konsequenzen leben. Sie muss wissen, dass wir Straftaten auf die klassische Art und Weise im Internet eben nicht aufklären können.«
Am wichtigsten bleibt für ihn nun mal der Ansatz, der Spur des Geldes folgen zu können, also Daten von Kreditkarten zu durchforsten. Und zweitens plädiert er dafür, dass endlich das Gesetz geändert wird, das den Strafrahmen für Ersttäter bestimmt. Es würde ihm reichen, wenn man das Gesetz zum Vorbild nähme, das bei einfachem Diebstahl gilt – fünf Jahre ist da die Höchststrafe. Dass theoretisch jemand, der dreimal schwarzfährt oder
eine Tafel Schokolade klaut, härter bestraft werden kann als ein überführter Pädophiler, will ihm nicht einleuchten.
So groß wie das Dunkelfeld der Täter ist logischerweise das der Opfer, auch und gerade in Deutschland. Niemand weiß, trotz aller enthüllten Skandale über sexuellen Missbrauch, wie hoch die Dunkelziffer ist. Jedem missbrauchten Kind muss geholfen werden. Die Frage, die ich an alle Jäger gerichtet habe, wie sie aushalten würden, was sie im Internet sehen und hören, will ich denen stellen, die tagtäglich und tatsächlich versuchen, die Opfer davon zu befreien, was schwer auf ihren Seelen lastet.
KAPITEL 7
Dunkelziffern im Kinderland
U m aufzufangen, was ihnen aufgeladen wird, retten sich Therapeutinnen und Berater von »Dunkelziffer« hin und wieder in Sarkasmus. Lachen hilft, denn zu lachen vermag in großer Not befreiend wirken. Auch so begegnen sie berufsbedingter Verzweiflung, auch so lässt sich mitunter das Unfassbare fassen und das Unerträgliche tragen, wovon ihnen Kinder und Jugendliche berichten, denen Unsägliches widerfahren ist. Körperliche Verletzungen sind zwar nicht mehr sichtbar, wenn die Kinder zu »Dunkelziffer« kommen, aber die seelischen Wunden schmerzen noch lange, und stets bleiben unsichtbare Narben in den Seelen der Mädchen und Jungen zurück.
Was sie verursachte, nennen Kriminalbeamte und Juristen »Sexueller Missbrauch von Kindern«, aber schon im Wortursprung ist die Bezeichnung »Kindesmissbrauch« für diese Verbrechen eigentlich unbrauchbar. Kinder sollten vorbehaltlos geliebt statt gebraucht werden. Dragana Seifert, Rechtsmedizinerin am
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