Black Bottom
einem exquisiten Salon, dessen Besuch sonst siamesischen Königen oder Industriekapitänen zum Verschnaufen von anstrengenden Einkaufstouren vorbehalten war. Seine Schritte schepperten auf der metallenen Stiege, er scheuchte zwei kreischende Animierdamen vor sich her, kam hinter ihnen oben an â und da, da war sie endlich, die kleine weiÃe Tür des Personalausganges, fast unsichtbar unter den goldenen Lettern irgendeines Fantasie-Schiffsnamens, der dem weiÃen Ozeanriesen hier oben über den Dächern Berlins den Glanz von Ãberseereisen zu exotischen Zielen geben sollte. Hallstein riss die Tür auf und stürzte hinaus.
Sándor, dem sein Klarinettenspiel ein gutes Lungenvolumen gab, war keine zehn Meter von der Gangway entfernt, als er den Türsteher durch die schmale Blechtür hinausdrängen sah. Er fluchte.
Doch nur einen Moment später tauchte der massige Körper des Mannes, langsam rückwärts gehend, wieder im Personalausgang auf. Sándor zögerte am unteren Ende der Stiege; er rechnete mit einem Angriff. Aber Hallstein schien verwundert am oberen Ende der Stahltreppe innezuhalten; er fasste sich mit beiden Händen an den fleischigen Hals, und die zwei Beamten, die nun auch hinter Sándor Lehmann aufgetaucht waren, zogen ihre Schusswaffen aus den Holstern und richteten sie auf den Mann. Doch Hallstein hatte nicht vor, sie anzugreifen; stattdessen lieà er jetzt die Arme sinken und knickte rückwärts in den Knien ein. Sándor verstand schlagartig, was da vor sich ging. Der Türsteher hatte nur ganz kurz den hellen Himmel über der Millionenstadt gesehen und den schnellen Schnitt durch seine Kehle allenfalls als weiches Wischen wahrgenommen, doch sein Herz hatte sofort reagiert und versuchte nun mit ein paar letzten mächtigen Pumpschlägen den schlagartigen Druckabfall in den GefäÃen auszugleichen. Ein Schwall Blut spritzte an die weiÃe Schiffshülle, tropfte von den Buchstaben und machte das makellose Weià der ganzen Dachterrasse zum blendenden Untergrund eines makabren, dadaistischen roten Gemäldes. Hallstein fiel rückwärts die Stiege hinunter und zog eine schlierige rote Bahn über die ganze Flanke des Schiffes. Sándor fluchte und stürmte die Stufen hinauf, doch der Körper des Sterbenden behinderte sein Vorwärtskommen, und oben auf den Stufen war eines der Animiermädchen, dessen weiÃer Badeanzug ebenfalls von Hallsteins Blut rot gesprenkelt worden war, in Ohnmacht gefallen und hinter dem Türsteher die Stufen hinuntergerutscht.
Als Sándor endlich den Personalausgang erreicht hatte, war der Mörder, der dem Fliehenden offenbar mit dem Hieb einer einzigen, scharfen Klinge die Kehle durchgeschnitten hatte, längst verschwunden. Sándor sah vom Dach des KaDeWe in Lieferhöfe, in Mietskasernen, auf die gläsernen Mansarden von Künstlerateliers und eine Unzahl schmaler Leitern, die an Schornsteinanlagen und Dachluken gelehnt waren. Hier gab es Dutzende von Fluchtwegen; auch Hallstein hatte ja darauf spekuliert. Lehmann verteilte eine Handvoll erschöpft keuchender Polizeibeamter auf die wahrscheinlichsten Fluchtrichtungen. Viel Hoffnungen auf einen Erfolg machte er sich nicht; aber vielleicht war Belfort, der unten auf der StraÃe das Abriegeln des Viertels koordiniert hatte, gut positioniert und konnte zugreifen oder zumindest etwas beobachten. Er stieg zurück auf die Dachterrasse und besah noch einmal mit einer hochgezogenen Augenbraue das rote Menetekel an der weiÃen Bordwand. Ein Restaurantleiter tauchte auf, aufgeblasen und empört, als hätte Sándor Lehmann selbst Hallsteins unförmigen Leichnam zu einem blutroten Finale der »WeiÃen Wochen« hierherschaffen lassen, aber Lehmann drückte den Mann wortlos beiseite und wartete zum Hinuntergehen nicht auf einen der siebzehn goldenen und verspiegelten Fahrstühle, sondern stapfte scheiÃwütend über den Misserfolg hinüber zum groÃen Treppenhaus.
DIE LISTE
»Verdammte Sauerei!«
Belfort hatte die Oberarme eng am Körper angelegt, die Unterarme seitlich abgewinkelt, und sah an sich herunter, als fiele ihm der Zustand seiner Garderobe erst jetzt auf. Der helle Zwei reihermantel, ein sicher nicht ganz billiges Stück, war blutverschmiert, und Blut klebte an seiner Hose und seinen Schuhen. Belfort schnaubte wütend.
»Der Mistkerl lag am Fuà der Stiege auf dem Bauch, und wir
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