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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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was die Welt dort draußen anging – den Antisemitismus, die aggressive Hitlerpartei, die ihr einigermaßen friedliches Dasein Jahr für Jahr mehr in Gefahr brachte. Zwischen der Begeisterung für die steile Karriere ihres Sprösslings und der wachsenden Angst vor der politischen Entwicklung bewegte sich ihr mütterliches Denken. Julians Freundschaft mit Sándor sah sie gern; immerhin war der Mann Polizist; vielleicht würde er ihren Sohn beschützen können, wenn ihm Unrecht geschah.
    Sie zwinkerte Lehmann kokett zu, und er strahlte gutmütig zurück. Martha Fuhs musste mal eine schöne Frau gewesen sein, doch die langen Nächte all der Jahre hatten dieser Schönheit zugesetzt. Sándor schob sich neben Julian auf einen Hocker; der Bandleader mochte diese Unterbrechung seiner nachmittäglichen Arrangierarbeiten nicht, aber Lehmann ignorierte das heute, weigerte sich, einen von Arnos »Plutos« zu probieren und kam gleich zur Sache.
    Â»Julian, der Anschlag gestern Nacht: Wer steckt dahinter?«
    Julian machte eine erstaunte Grimasse; er hatte eine ganze Reihe dieser Showgesichter auf Lager, mit denen er zwischen den Stücken das Publikum zum Lachen brachte; ein Clownsgesicht irgendwo zwischen Dummheit und Sentimentalität.
    Â»Da fragst du den Falschen, mein Freund. Gestern Abend – das war nicht nur unvorstellbar, ich kann mir auch niemanden vorstellen, der so was machen würde. Unsere nationalsozialistischen Kameraden vielleicht, aber die inszenieren ja eher publikumsträchtige Prügelorgien.«
    Sándor zuckte die Achseln. Für die SA würde er seine Hand nicht ins Feuer legen, doch Julian hatte Recht: Der Gasangriff sah nach einem Einzeltäter aus, einem Verrückten, nicht nach den ferngesteuerten Uniformierten aus dem Hause Hitler und Goebbels.
    Â»Eine Eifersuchtsgeschichte? Ein Wahnsinniger? Ein Konkurrent? Könnte Jenitzky etwas mit der Sache zu tun haben?«
    Julian Fuhs sah resignierend von den Notenblättern auf, putzte sich umständlich die Brille, legte die Stirn in Denkerfalten und tat so, als hörte er den Namen das erste Mal.
    Â»Jenitzky?«
    Â»Menschenskind, ja, Jenitzky, der Name wird dir ja wohl ge läufig sein.«
    Â»Geläufig ist gut, Sándor … immerhin spielen wir heute Abend im Café Jenitzky; willst du absagen?«
    Das hatte Sándor komplett vergessen, doch er schüttelte den Kopf. Natürlich nicht. Trotzdem, er fragte noch mal nach: Was hielt Julian von einer Beteiligung des Friedrichstadt-Kneipiers am Femina-Anschlag?
    Julian lehnte sich zurück; sein Smoking, Berufsbekleidung, die er auch tagsüber trug, klaffte auf und enthüllte ein kleines Kugelbäuchlein, an dem wohl Lily Löwensteins österreichische Kochkunst die Schuld trug. Fuhs lächelte lautlos vor sich hin und schüttelte den Kopf dabei.
    Â»Jenitzky … Der Mann ist noch immer die Nummer eins im Osten, aber seine Stellung ist allmählich ins Wanken gekommen, und seit ein paar Jahren macht ihm das neue Berlin rund um die Gedächtniskirche echte Probleme. Der Delphi-Palast, die beiden Eldorados, Haus Gourmenia, die Femina, Rio Rita, Rosita, das Quartier Latin, die unzähligen Bars von Kakadu bis Pompeji, das sind alles Nägel zum Sarg der Friedrichstraße. Hier brennt die Luft, und in der alten Stadtmitte ist tote Hose. Das kann ihm keinen Spaß machen. Und einem wie Jenitzky traue ich alles zu; der Mann ist ein Ganove erster Güte.«
    Â»Heißt das … ja?«
    Fuhs blies empört einen Stoß Luft durch die Nase aus, sah zu Arno hinüber und dämpfte seine Stimme.
    Â»Bin ich die Polizei oder du?«
    Sándor Lehmann lächelte verschmitzt; er stupste den Freund mit der Schulter an und holte weit aus.
    Â»Was wiegt einer wie Jenitzky, drei Zentner? Vier? So ein Walross zieht doch eine Riesenschneise, wenn er irgendwas vorhat; der kauft doch nicht mal eben irgendwo eine Gasbombe, schmuggelt das Ding ungesehen in die Femina, und keiner kriegt was mit … Du kennst doch Gott und die Welt, Julian, du bist doch selbst immer noch auf der Friedrichstraße unterwegs mit den Jungs. James Kok, Schulz-Reichel, du trinkst dein Bier mit Max Schmeling: Irgendwer muss es mitgekriegt haben, wenn Jenitzky in den letzten Tagen auf Abwegen gewesen ist. Irgendwer hat sicher ein Hühnchen zu rupfen mit dem alten Gangster und brennt darauf, darauf angesprochen zu werden. Hat er nicht

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