Black Bottom
Gangster, hatte ihn umgehauen. Das war nicht ganz der Plan gewesen, wenn es überhaupt einen Plan gegeben hatte. Im Grunde hatte Sándor nur seinen eigenen Arsch aus der Zwickmühle retten und nicht zwischen dieser absurden Razzia und seiner geheimen Identität als Klarinettenspieler zerrieben werden wollen. Mindestens das war ihm offenbar auch gelungen. Er war nicht aufgeflogen, weder bei den Mitmusikanten noch bei Belfort, hatte heldenhaft Keile eingesteckt in Ausübung seines Amtes, und wenn er es sich genau überlegte â genaues Ãberlegen tat noch ziemlich weh an einer anschwellenden Kante zwischen Ohr und Schädelmitte â, dann war er auch Jenitzky nähergekommen. Schmerzhaft nahe sogar. Er hatte den Mann vor der aufziehenden Razzia gewarnt. Wahrscheinlich gab es nichts zu warnen; einer wie Jenitzky würde keine Bomben-Bestellschreiben oder Arbeitsverträge mit Auftragsmördern in der Schreibtischschublade aufbewahren; die ganze Sache war ein einziger Einschüchterungsversuch von Belfort. Trotzdem hatte er, Sándor Lehmann, sich dem Hauptverdächtigen gegenüber als Retter zu erkennen gegeben, hatte seine Sympathie verdient, und das würde ihn womöglich näher an die Aufklärung des Verbrechens bringen, als Belfort mit seinen Brachialmethoden es je schaffen würde.
Das schien Belfort selbst übrigens unterdessen auch gedämmert zu haben, denn der Mann hatte sichtlich schlechte Laune.
»Autsch«, knurrte Lehmann, um seine Rückkehr in den Kreis harter Burschen zu signalisieren, »diese Bayern können zulangen. Habe ich einen MaÃkrug an die Birne bekommen? Einen Barhocker? Ich habe nicht mal gesehen, was mich getroffen hat.«
Belfort schnaubte ungnädig.
»Jedenfalls haben Sie sich im wichtigsten Augenblick aus dem Staub gemacht. Mitten im Zugriff gerät das ganze Ding auÃer Kontrolle, wir machen Razzia, diese Irren da drin machen Saalschlacht ⦠und Sie legen sich schlafen.«
»Und ⦠Jenitzky?«, fragte Sándor schläfrig, als erinnerte er sich eben jetzt erst wieder an den Namen.
»Hockt wie Gottvater in seinem Büro, plaudert mit Hansen, Schmitzke und Plötz und ist die Freundlichkeit in Person. Kein Wunder, wir haben sicher eine Viertelstunde gebraucht, bis wir zu ihm durchgekommen sind. In dieser Zeit hätte er alles verbrennen oder sonst wie beiseiteschaffen können, was ihn belastet hätte.«
»Mist.«
»Ja, verdammter Mist. Gewarnt ist er obendrein, dass wir ihn ins Visier genommen haben. Das Ding hier ist gründlich in die Hose gegangen; das war eine echte Schnapsidee von Ihnen, vor Beginn der Aktion noch mal quer durch den Saal zu stolzieren.«
»Ich habe die Saalschlägerei nicht angefangen«, merkte Sándor an, und das war gut gelogen.
Belfort drehte sich um und gab den beiden Schutzpolizisten Anweisungen. Sie sollten Jenitzky aus seinem Büro holen und aufs Präsidium schaffen. Da würde man schon herausfinden, ob der Bursche mit dem Anschlag auf die Femina zu tun hatte.
»Das würden wir, mit Verlaub gesagt, nicht gerne sehen.«
Die diskret leise sprechende Stimme kam aus dem Beifahrerfenster einer cremefarbenen, lang gestreckten Limousine, die nahezu geräuschlos aus der SeitenstraÃe herangerollt war. Die beiden Schutzmänner schienen den eben in den Verkauf gelangten Maybach Zeppelin, einen bulligen Zwölfzylinder-Reisewagen mit einer respektheischenden Karosserie von Hermann Spohn aus Ravensburg, noch nie in natura gesehen zu haben, sie machten einen Satz auf den Bürgersteig, als wäre der Reichskanzler selbst vorgefahren.
Belfort wandte sich gefährlich langsam herum zu dem Redner; einem ruhigen, väterlichen Mann um die sechzig, zurückhaltend, aber gediegen gekleidet, mit einem etwas altmodischen Monokel in einem Auge.
»Und wer sind Sie?«
»Das wollten wir Sie selbst gerade fragen. Wenn Sie der diensthabende Kriminalbeamte sein sollten, der mit einem etwas fragwürdigen Hausdurchsuchungsbefehl angerückt ist und mit seinen Männern eine Saalschlacht mit ein paar Hundert ehrbaren Gästen begonnen hat; wenn Sie der Mann sind, der unseren Mandanten seit einer Stunde ohne Rechtsgrundlage in seinem Büro festhält und mit unnötigen Fragen zu seinem Verbleib am gestrigen Abend löchert, dann würden wir Ihnen, mit Verlaub, empfehlen, Ihre Situation nicht noch schlimmer zu machen. Denn Ãrger haben
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