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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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Echo verstummten; Belfort kam die Stahlleiter heruntergepoltert, und Sándor sah auf den am Boden liegenden Jenitzky hinab, dem beim Sturz der monströse Nickelrevolver aus der Manteltasche geflogen war, während er in der Hosentasche allerdings wahrhaftig nach einem Bündel mit Geldscheinen gekramt hatte, die er jetzt noch immer in der verkrampften Hand hielt.
    Â»Jenitzky, ich nehme Sie fest wegen des Verdachts des mehrfachen Gasmordes.« Sándors Stimme war wutschnaubend und hart, aber wütend war er nicht auf den Mann, dessen Name in Hallsteins Notizbuch stand, sondern auf seinen Kollegen Belfort, der diese überfällige Festnahme um Haaresbreite mit ein paar tödlichen Kugeln abgekürzt hätte und der jetzt kalt starrend mit seinem ausdruckslosen Puppengesicht neben dem verendeten Bullen stand.

PHANTOME TANGO
    Gennat, der Dicke von der Mordkommission, Sándors Chef, hatte weit ausgeholt, und zwar mit der Kuchengabel. Seine Geste umfasste die ganze Welt, mindestens Berlin oder den Alexanderplatz, der draußen unterhalb ihres Fensters lag und in der Mittagssonne flirrte und glitzerte, nachdem gerade ein kurzer Sommerregen niedergegangen war und die Straßen mit Duft erfüllt hatte und die Pfützen mit spiegelnden Bildern eines blauen Himmels und hektisch zerrissenen weißen Wolkenfetzen.
    Â»Wahre Verbrecher, wirkliche Scheißkerle, sind selten«, dozierte Gennat, »ich meine, Verbrecher in einem neuen, modernen Sinne, intelligente Verbrecher, informiert wie Unternehmer, wendig, schlau, vor allem: mobil und immer auf Achse.«
    Er deutete mit dem Daumen der Rechten hinter sich in ein Bücher regal, in dem Dutzende winziger gerahmter Porträtfotos standen, die man auf den ersten Blick für Familienfotos hätte halten können – einer Familie allerdings, der das Fotografiertwerden durchgängig keinen Spaß gemacht hatte. Es handelte sich um die übelsten Burschen – eine Frau war auch darunter –, die Gennat in seiner fast dreißigjährigen Laufbahn zur Strecke gebracht hatte.
    Â»Sehen Sie sich den Schönheitswettbewerb hinter mir an, Leh-mann. Der Metzger da rechts hat dreizehn Leute auf dem Gewissen – und keiner von ihnen wohnte mehr als dreihundert Meter von seiner Metzgerei entfernt. Oder der Typ mit dem Menjoubärtchen da links: Was er getan hat, und er hat wirklich schlimme Dinge getan, das hat er mit einem komischen kleinen Stilett gemacht, eigentlich einem Brieföffner in Türkensäbelform. Hat sehr charakteristische Wunden gerissen, das verfluchte Ding, und er hatte es immer dabei. Im Schwimmbad am Lochowdamm ist es ihm in der Umkleidekabine aus der Hosentasche gefallen, das hat der Mann in der Nachbarkabine gesehen, und das war’s. Das sind keine Verbrecher, Lehmann, das sind Stümper, Kleinbürger mit einer Marotte, keine große Aufgabe für unsereins.«
    Er bot Sándor ein Stück Stachelbeertorte an, und als der ablehnte, aß er es selber. Ernst Gennat musste mit der Kuchengabel in der Hand auf die Welt gekommen sein.
    Â»Wie lange mache ich diese Arbeit, fünfundzwanzig Jahre, sechsundzwanzig. Es waren immer die gleichen Leute, auf die ich gestoßen bin, durchschaubare, kleinliche Kreaturen. Genau das macht ja eine effektiv arbeitende Kriminalpolizei so erfolgreich: dass das ganze Verbrechen nach einem immer gleichen Schema abläuft und sie sich darauf einstellen kann. Einer überfällt einen Schmuckladen: zu neunzig Prozent in seiner eigenen Nachbarschaft. Frag hundert Zeugen, und zwei kennen den Mann. Schick zehn Männer durch die Kneipen, und einer berichtet über irgendeinen armen Schlucker, der plötzlich die Spendierhosen anhatte, einen Abend nur, aber immerhin. Umstell das Haus, aber lass vorher unbedingt das Gas abdrehen: Denn zwei von zwanzig dieser Typen stecken den Kopf in den Gasofen, wenn du unten an der Tür klingelst.«
    Sándor hatte fasziniert zugehört, trotzdem wagte er eine Zwischenfrage:
    Â»Ist der Femina-Gasmörder also einer aus der Nachbarschaft? Oder ein enttäuschter Kellner, der gefeuert wurde?«
    Gennat schüttelte den Kopf.
    Â»Nein. Der wäre da geblieben, wo Kellner hingehören, hinter dem Tresen. Er hätte die Küche angezündet oder den Mann mit dem Kassengeld überfallen, aber an den Gästen hätte er sich nicht vergriffen, niemals. Kellner – noch die schlechtesten unter ihnen – haben einen

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