Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
aufgehoben. Zeit und Geld waren verplempert worden, ohne dass irgendein Fortschritt erzielt oder eine tragfähige Lösung in Sicht war.
Unklarheiten über die Bauaufgabe
Weit gravierender waren die Unklarheiten über die eigentliche Bauaufgabe. Wir erinnern uns, dass es gleich zu Beginn von BER – damals nannte man das Ganze noch BBI – zu politischen, formaljuristischen und kommunikativen Differenzen und Pannen kam. Zur Debatte standen die beiden Standorte Schönefeld und Sperenberg, der eine mit der für ihn nachteiligen Kapazitätsgrenze von nur zwei Start- und Landebahnen, der andere mit dem Nachteil, zu weit von Berlins Mitte entfernt zu sein. Die jeweiligen »Vorteile der Nachteile« wurden ausgiebig erörtert.
Außerdem war die Bemessungsgröße des Terminals umstritten, weil Prognosen über zukünftige Fluggastzahlen den Regeln von Roulettespielen mehr ähneln als verlässlichen statistischen Werten, denn seit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Ende des Kalten Krieges befindet sich die globale Flugroutenstruktur in einem steten Wandel. Hinzu kam, dass die Absicht, vorerst das alte, im Norden des neuen Baufeldes gelegene Terminal in Betrieb zu belassen und dort den Charter- und Billigverkehr abzuwickeln,das nächste Mal tabuisiert wurde und so weiter. Dadurch war das neue Terminal während der Planungszeit wie ein Blasebalg mal aufgebläht und dann wieder abgeschlafft.
In diesem unwürdigen Hase-und-Igel-Spiel wurde uns als Architekten die Rolle von Kellnern zugemutet, welche die soeben georderten Speisen auftrugen, als die Gäste – Fachunkundige aller Couleur, vom Politiker über den Kaufmann bis zum Beamten – in der reichhaltigen Speisekarte bereits eine vermeintlich billigere oder schmackhaftere Speisenfolge zusammengestellt hatten. Ohne jedes Mitsprache- oder Beratungsrecht der Architekten wurde per »Ordre du Mufti« im Planfeststellungsverfahren eine Dimensionierung der Passagierabfertigungsanlagen festgeschrieben, in der die schrittweise geänderten baulichen Anforderungen auch durch Zauberkünstler nicht unterzubringen waren. Der erfolgreiche Zaubertrick besteht darin, den normalerweise in Stein gemeißelten Planfeststellungsbeschluss durch zeitraubende Änderungsanträge anzupassen.
Die Fluggastzahlen, vor allem die Spitzenstundenbelastungen, für jede Flughafenplanung unverzichtbare, wenn auch schwer zu berechnende Kennwerte, wurden entweder gar nicht ermittelt oder verschwiegen, obwohl jeder weiß, dass jemand mit Schuhgröße 38 selbst mit Kneifzangen und Vorschlaghammer nicht in Schuhgröße 30 zu zwängen ist. Wer obendrein die Tatsache ignoriert, dass ein schnell Heranwachsender in Kürze noch weit größere Füße haben wird,taugt als Schuhhändler ebenso wenig in einem Schuhladen wie ein Flughafenmanager, der die Augen vor den zukünftigen Passagierzahlen verschließt, in einem Flughafenvorstand. Aber selbst die vom Bauherrn zu klein konzipierte Größe des Terminals von 220
000 Quadratmetern (tatsächlich gebaut wurde eine Fläche von 340
000 Quadratmetern) hat die Flughafengesellschaft angesichts der weit über ihrem eigenen Kostenbudget geschätzten Bausumme nicht abgeschreckt, eine weitere Reduktion der Terminalfläche um 20
000 Quadratmeter auf 200
000 Quadratmeter anzuordnen.
Kurz darauf handelte der Bauherr seiner eigenen Anordnung zuwider, indem er selbst ständig neue und vergrößerte Flächenanforderungen stellte. Einen Grund gaben die gemäß der EU-Verordnungen aus dem Jahre 2005 erhöhten Sicherheitsrichtlinien vor. Danach müssen ankommende Passagiere entsprechend ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zum Schengen- bzw. Non-Schengen-Raum mittels getrennter Verkehrswege separiert werden, weswegen wir – in Ermangelung einer genügend großen Fläche – eine Zwischenebene einfügen mussten, die zu einer geringeren Geschosshöhe im Erdgeschoss führte, was wiederum zwanghafte Anpassungen der technischen Anlagen erforderte, die ihrerseits umfangreiche Planungs- und Bauänderungen auslösten. Diesen unvermutet erforderlichen Raumbedarf könnte man wohlwollend unter höhere Gewalt einordnen und auch die damit verbundenen beträchtlichen Mehrkosten erklären.
Willkür politisch verordneter Terminsetzungen mit schwerwiegenden Kostenkonsequenzen
Terminpläne für jedes Bauvorhaben, insbesondere für Großbauvorhaben wie den Flughafen BER, haben mehrfache Einflussfaktoren zu berücksichtigen:
Angemessene
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