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Black Box: Thriller (German Edition)

Black Box: Thriller (German Edition)

Titel: Black Box: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hatte, waren in einer abschließbaren Kammer des Motels aufbewahrt worden. Sobald dem Geschäftsführer klar wurde, dass Jespersen nicht zurückkommen würde, weil sie tot war, wurde der Rucksack mit ihren persönlichen Dingen an die RCTF geschickt, die während der kurzen Zeit ihres Bestehens in der Central Division in Downtown untergebracht war.
    Der Rucksack war in einer der Archivboxen, die Bosch aus der Asservatenkammer angefordert hatte. Er enthielt zwei Jeans und vier weiße Baumwollblusen sowie Unterwäsche und Socken. Offensichtlich war Jespersen immer mit leichtem Gepäck gereist und hatte, typisch Kriegsberichterstatterin, auch im Urlaub wenig dabeigehabt. Das lag vermutlich daran, dass sie vorgehabt hatte, nach ihrem USA -Urlaub direkt in ein Krisengebiet zu fliegen. Ihr Redakteur in Dänemark hatte der
Times
erzählt, dass die Zeitung Jespersen aus den Vereinigten Staaten direkt nach Sarajewo im ehemaligen Jugoslawien hatte schicken wollen, wo wenige Wochen zuvor der Krieg ausgebrochen war. In den Medien waren erste Berichte über Massenvergewaltigungen und ethnische Säuberungen erschienen, und um sofort ins Zentrum des Geschehens zu gelangen, hatte Jespersen für den Montag nach dem Ausbruch der Unruhen in Los Angeles bereits einen Flug gebucht. Wahrscheinlich hatte sie den kurzen Zwischenstopp in L.A., bei dem sie vielleicht ein paar Randalierer vor die Linse bekommen hätte, lediglich als Aufwärmübung für das betrachtet, was sie in Bosnien erwartete.
    Außerdem waren in den Außentaschen des Rucksacks Jespersens dänischer Pass sowie mehrere unbelichtete Kleinbildfilme. Der Pass war sechs Tage vor Jespersens Tod bei ihrer Einreise am John F. Kennedy International Airport in New York abgestempelt worden. Laut Ermittlungsunterlagen und Zeitungsmeldungen war sie allein gereist und exakt zu dem Zeitpunkt in San Francisco eingetroffen, als in Los Angeles die Freisprüche bekannt wurden und die Unruhen ausbrachen.
    Aus keiner der Ermittlungsunterlagen oder Zeitungsmeldungen ging hervor, wo in den USA sich Jespersen in den fünf Tagen vor den Unruhen aufgehalten hatte. Dieser Frage war für die Mordermittlungen anscheinend keine Bedeutung beigemessen worden.
    Kein Zweifel schien jedoch daran zu bestehen, dass die in Los Angeles explodierende Gewalt eine starke Anziehung auf Jespersen ausgeübt hatte. Sie warf ihre Reisepläne unverzüglich um und fuhr wahrscheinlich noch in derselben Nacht mit einem Leihwagen, den sie sich zwei Tage zuvor am San Francisco International gemietet hatte, nach Los Angeles. Am 30 . April, einem Donnerstagmorgen, legte sie in der Pressestelle des LAPD ihren Pass und ihre dänischen Pressedokumente vor, um einen Presseausweis zu beantragen.
    Bosch hatte die Jahre 1969 und 1970 größtenteils in Vietnam verbracht. Dort war er sowohl in den Base Camps als auch in den Feuerzonen zahlreichen Journalisten und Fotografen begegnet. An allen von ihnen war ihm eine ganz spezielle Art von Furchtlosigkeit aufgefallen. Nicht die Furchtlosigkeit eines Kämpfers, sondern ein fast naiver Glaube an die eigene Unverwundbarkeit. Es war, als hielten sie ihre Kameras und Presseausweise für Schilde, die sie vor allem schützten, was um sie herum passierte.
    Einen dieser Fotografen hatte er näher kennengelernt. Er hieß Hank Zinn und arbeitete für Associated Press. Einmal begleitete er Bosch in Cu Chi bei einem Einsatz in einem unterirdischen Gang. Zinn war einer von denen, die sich keine Gelegenheit entgehen ließen, in Gebiete vorzudringen, wo es »richtig zur Sache ging«, wie er sich ausdrückte. Er kam Anfang 1970 ums Leben, als ein Huey, in dem er an die Front mitgeflogen war, abgeschossen wurde. Eine seiner Kameras wurde an der Absturzstelle unbeschädigt gefunden, und jemand im Base Camp entwickelte den Film. Es stellte sich heraus, dass Zinn unablässig weiter fotografiert hatte, als der Hubschrauber beschossen wurde und schließlich abstürzte. Ob er tapfer seinen eigenen Tod dokumentiert oder geglaubt hatte, spektakuläre Fotos mitzubringen, wenn er ins Base Camp zurückkehrte, ließ sich nicht mehr feststellen. Aber wie er Zinn kannte, vermutete Bosch, dass er geglaubt hatte, er wäre unverwundbar und der Hubschrauberabsturz wäre nicht das Ende.
    Als Bosch nach all den Jahren den Jespersen-Fall wieder aufrollte, fragte er sich, ob Anneke Jespersen wie Zinn gewesen war. Felsenfest davon überzeugt, dass ihr nichts geschehen konnte und sie durch Kamera und Presseausweis vor jedem

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