Black Box: Thriller (German Edition)
würdest.«
Sie schüttelten sich die Hände. Bosch blieb vor dem großen, breiten Schreibtisch stehen. Er konnte nicht leugnen, dass er seinen alten Kollegen mochte. Er mochte nur nicht, was er machte und was aus ihm geworden war.
»Warum hast du dann O’Toole vorgeschaltet? Warum hast du mich nicht selbst heraufbestellt? Bei der Irving-Geschichte letztes Jahr hast du mich doch auch hoch kommen lassen.«
»Ja, aber das wurde eine ziemlich unschöne Sache. Ich habe O’Toole zwischengeschaltet, und jetzt ist es wieder eine unschöne Geschichte.«
»Was willst du, Marty?«
»Muss ich das wirklich sagen?«
»Sie wurde regelrecht hingerichtet, Marty. An die Wand gestellt und ins Auge geschossen. Und weil sie weiß war, möchtest du nicht, dass ich die Sache aufkläre?«
»Unsinn, ganz und gar nicht. Natürlich will ich, dass du den Fall löst. Die Sache ist nur etwas heikel. Wenn nämlich herauskommt, dass der einzige Mord während der Unruhen, den wir zum zwanzigsten Jahrestag aufklären, eine Weiße ist, die von irgendeinem Gang-Mitglied erschossen wurde, ist der Ärger vorprogrammiert. Das alles liegt jetzt zwar schon zwanzig Jahre zurück, Harry, aber so viele Fortschritte haben wir seitdem auch nicht gemacht. Man kann nie wissen, was dieses Streichholz wieder anzünden könnte.«
Bosch drehte sich zum Fenster und schaute auf die City Hall hinaus.
»Dir geht es um PR «, sagte er. »Mir geht es um einen Mord. Was ist aus unserem Motto geworden ›Jeder zählt, egal wer es ist‹? Beziehungsweise war? Erinnerst du dich aus deiner Zeit bei Homicide Special überhaupt noch daran?«
»Natürlich, Harry, und es gilt auch weiterhin. Ich bitte dich keineswegs, den Fall zu den Akten zu legen. Lass dir nur ein bisschen Zeit damit. Warte einen Monat, bis nach dem Ersten, kläre ihn dann auf und das in aller Stille. Und wir verständigen die Angehörigen und belassen es dabei. Mit ein bisschen Glück ist der Verdächtige bereits tot, und wir brauchen uns wegen eines Prozesses keine Sorgen mehr zu machen. Na ja, und in dieser Situation hat mir O’Toole dann von einem aussichtsreichen Fall von der Death Squad erzählt, den du übernehmen könntest. Vielleicht verhilft der uns zu der Art von Aufmerksamkeit, die wir gern hätten.«
Bosch schüttelte den Kopf. »Ich habe einen Fall, mit dem ich im Moment voll ausgelastet bin.«
Maycock verlor die Geduld mit Bosch. Seine gesunde Gesichtsfarbe wurde dunkler.
»Leg ihn auf Eis und mach erst mal den Death-Squad-Fall.«
»Hat dir O’Toole nicht erzählt, dass ich möglicherweise fünf oder sechs andere Fälle aufkläre, wenn ich diesen löse?«
Maycock nickte, wischte den Hinweis jedoch mit einer knappen Handbewegung beiseite.
»Klar, lauter Gangster, und keiner während der Unruhen.«
»Es war deine Idee, diese Fälle aufzuarbeiten.«
»Woher hätte ich wissen sollen, dass du der Einzige bist, der bei seinem Fall vorankommt, und dass es ausgerechnet Schneewittchen ist? Mein Gott, Harry, schon allein der Name. Übrigens, egal, was passiert, hör auf, sie so zu nennen.«
Bosch machte ein paar Schritte durch das Zimmer, bis er einen Blickwinkel gefunden hatte, bei dem sich der Turm der City Hall in der Glasfassade des Nordflügels des PAB spiegelte. Egal ob frische Morde oder kalte Fälle, die Jagd auf einen Mörder musste unerbittlich sein. Es war die einzige Möglichkeit, so etwas anzugehen, und es war die einzige Möglichkeit, auf die es Bosch anzugehen wusste. Wenn dabei politische und gesellschaftliche Erwägungen hereinspielten, hatte er dafür grundsätzlich wenig Verständnis.
»Herrgott noch mal, Marty«, sagte er.
»Ich weiß, wie dir zumute ist«, sagte der Chief.
Endlich wandte sich Bosch wieder ihm zu.
»Nein, weißt du nicht. Nicht mehr.«
»Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung.«
»Aber nicht, an seinem Fall zu arbeiten.«
»Ich kann nur wiederholen: Das ist nicht, was ich sage. Du drehst es hartnäckig so hin, als ob …«
»Es ist zu spät, Marty. Die Sache steht kurz davor, an die Öffentlichkeit zu dringen.«
»Inwiefern?«
»Ich habe Informationen über mein Opfer gebraucht. Deshalb habe ich mich an die Zeitung gewandt, für die sie gearbeitet hat, und Informationen eingetauscht. Ich arbeite mit einem Journalisten zusammen. Wenn ich das Ganze jetzt abblase, riecht er den Braten, und der Fall sorgt für mehr Aufsehen, als wenn ich ihn aufkläre.«
»Verfluchte Scheiße. Welche Zeitung? In Schweden?«
»Dänemark. Sie war aus
Weitere Kostenlose Bücher