Black Box: Thriller (German Edition)
Polizisten in Uniform. Am vierten arbeitete Alta Rose, wahrscheinlich die mächtigste Zivilperson, die es bei der Polizei gab. Halb Drache, halb die Nettigkeit in Person, bewachte sie seit fast drei Jahrzehnten den Eingang zum Büro des Chief. Wer eine gewöhnliche Sekretärin in ihr sah, täuschte sich gewaltig. Sie verwaltete den Terminkalender des Polizeichefs, und meistens war sie es, die ihm sagte, wo er wann zu sein hatte.
Bosch war im Laufe der Jahre oft genug zum Polizeichef zitiert worden, um für Rose kein Unbekannter zu sein. Sie lächelte zuckersüß, als er sich ihrem Schreibtisch näherte.
»Detective Bosch, wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
»Danke, gut, Ms. Rose. Wie läuft’s hier oben?«
»Meines Wissens könnte es nicht besser laufen. Aber so leid es mir tut, ich habe Sie heute nicht im Terminkalender des Chief stehen. Ist mir da ein Fehler unterlaufen?«
»Nein, kein Fehler, Ms. Rose. Ich hatte nur gehofft, dass Marty – ich meine der Polizeichef – vielleicht fünf Minuten Zeit für mich hat.«
Ihr Blick huschte ganz kurz zu der Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch. Einer der Knöpfe darauf leuchtete rot.
»Leider telefoniert er gerade.«
Doch Bosch wusste, dass dieses Lämpchen immer leuchtete, damit Alta Rose bei Bedarf Besucher abwimmeln konnte. Dieses Geheimnis hatte ihm seine ehemalige Partnerin Kiz Rider verraten, die einige Zeit im Büro des Chief gearbeitet hatte. »Außerdem hat er heute Abend einen Termin, zu dem er spätestens um …«
»Drei Minuten, Ms. Rose. Fragen Sie ihn einfach. Würde mich nicht wundern, wenn er mich sogar erwartet.«
Alta Rose runzelte die Stirn, stand aber von ihrem Schreibtisch auf und verschwand durch die große Tür ins Allerheiligste. Bosch blieb stehen und wartete.
Chief Martin Maycock hatte sich von ganz unten hochgedient. Fünfundzwanzig Jahre zuvor war er ein RHD -Detective gewesen, der in die Abteilung Homicide Special versetzt worden war. Wie Bosch. Sie waren nie Partner gewesen, aber sie hatten gemeinsam an Task-Force-Fällen gearbeitet, insbesondere bei den Puppenmacher-Ermittlungen, die damit endeten, dass Bosch den berüchtigten Serienmörder in seinem Mörderbau in Silver Lake erschoss. Maycock war gutaussehend und hochkompetent und hatte einen einprägsamen, wenn auch etwas peinlichen Namen. Er hatte sich das Medieninteresse und die Berühmtheit, die ihm diese aufsehenerregenden Fälle eintrugen, für seinen Aufstieg in der Polizeihierarchie zunutze gemacht und es bis zum Polizeichef gebracht.
Die Polizeibasis hatte zunächst enormen Auftrieb dadurch bekommen, dass einer der Ihren in den zehnten Stock befördert worden war.
Doch drei Jahre nach Maycocks Ernennung war die Schonfrist abgelaufen. Der Chief leitete eine Polizei, die gelähmt wurde von einem Einstellungsstopp, verheerenden Budgetkürzungen und allerlei kleinen und großen Skandalen, die fast im Monatsabstand aufeinander folgten. Die Kriminalität war zurückgegangen, aber das trug ihm keinerlei Meriten oder politisches Gewicht ein. Schlimmer noch, die einfachen Polizisten hatten begonnen, ihn als einen Politiker zu betrachten, der mehr daran interessiert war, in den Sechs-Uhr-Nachrichten zu erscheinen als bei Einsatzbesprechungen oder an den Tatorten von Anschlägen auf Polizisten. An den Orten, an denen Cops im Dienst und danach zusammenkamen – Parkplätze, Umkleideräume und Bars – erfuhr ein alter Spitzname des Chief eine Renaissance: Marty MyCock.
Bosch hatte sich den Glauben an ihn lange bewahrt, aber ein Jahr zuvor hatte er dem Chief bei einer hinterhältigen politischen Auseinandersetzung mit einem Stadtrat, der der heftigste Kritiker des LAPD war, unabsichtlich geholfen. Eingespannt worden war Bosch für diese Intrige von Kiz Rider, für die dabei eine Beförderung zum Captain herausgesprungen war – sie leitete inzwischen die West Valley Division. Bosch hatte seitdem nicht mehr mit ihr oder dem Chief gesprochen.
Alta Rose kam durch die Tür des Allerheiligsten zurück und hielt sie Bosch auf. »Fünf Minuten, Detective Bosch.«
»Danke, Ms. Rose.«
Bosch ging hinein, wo Maycock an einem riesigen mit Polizei- und Sportschnickschnack dekorierten Schreibtisch saß. Das geräumige Büro verfügte über einen großen Balkon, ein angeschlossenes Besprechungszimmer mit einem vier Meter langen Konferenztisch und einen unverstellten Panoramablick auf das Civic Center.
»Harry Bosch, mir hat bereits geschwant, dass du heute hier auftauchen
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