Black Box: Thriller (German Edition)
verriet Bosch, dass sie keine Unterstützung bekämen.
»Was hast du gefunden, Harry?«
»Eine Neun-Millimeter-Remington. Sieht frisch aus.«
»Na, wenigstens etwas Brauchbares.«
»Vielleicht. Hast du die Zentrale erreicht?«
Edgar stellte den Koffer ab. Er war schwer. Er enthielt die Ausrüstung, die sie in der Hollywood Station hastig zusammengesucht hatten, als sich abzeichnete, dass sie bei ihrem Einsatz mit keiner forensischen Unterstützung rechnen könnten. »Ja, durchgekommen bin ich schon, aber sie sagen, sie können nichts für uns tun. Sind alle schon anderweitig im Einsatz. Wir sind hier auf uns allein gestellt, Brother.«
»Auch niemand aus der Rechtsmedizin?«
»Auch niemand aus der Rechtsmedizin. Die Nationalgarde holt die Leiche mit einem Lkw ab. Mit einem Truppentransporter.«
»Soll das ein Witz sein? Sie wollen sie in einem Laster wegbringen?«
»Nicht nur das, wir werden auch schon zu unserem nächsten Einsatz gerufen. Ein Knusperkrosser. Die Feuerwehr hat ihn in einem ausgebrannten Taco-Laden beim Martin Luther King Hospital gefunden.«
»Was denken die sich eigentlich? Wir haben hier doch noch nicht mal richtig angefangen.«
»Klar, schon, aber wir müssen weiter. Wir sind diejenigen, die am nächsten beim Hospital sind. Deshalb wollen sie, dass wir hier zum Ende kommen und sofort losfahren.«
»Bloß sind wir hier noch nicht fertig. Nicht mal annähernd.«
»Trotzdem, Harry. Da lässt sich nichts machen.«
Bosch blieb stur.
»Ich fahre noch nicht los. Es gibt hier noch zu viel zu tun, und wenn wir es bis nächste Woche oder was weiß ich wann aufschieben, können wir den Tatort ganz vergessen. Das geht nicht.«
»Wir haben aber keine Wahl, Partner. Wir haben die Regeln nicht gemacht.«
»Quatsch.«
»Na schön, was hältst du dann davon? Wir bleiben noch fünfzehn Minuten. Machen ein paar Fotos, tüten die Hülse ein, schaffen die Leiche auf den Laster und fahren dann los. Am Montag – oder wenn das hier alles vorbei ist – ist es schon gar nicht mehr unser Fall. Wenn sich die Lage beruhigt hat, sind wir wieder zurück in Hollywood, und das Ganze geht uns nichts mehr an. Dann darf sich jemand anderer damit herumschlagen. Hier ist das 77 th zuständig. Dann ist es deren Sache.«
Bosch interessierte nicht, was später passierte und ob der Fall an die Ermittler der 77 th Street Division oder sonst jemanden ging. Für ihn zählte nur, was in diesem Moment anstand. Eine Frau, die Anneke hieß und von irgendwo weit her kam, lag tot vor ihm, und er wollte wissen, wer es getan hatte und warum.
»Ist doch völlig egal, dass es dann nicht mehr unser Fall ist«, sagte er. »Das ist nicht der Punkt.«
»Harry, das spielt doch im Moment keine Rolle«, sagte Edgar. »Nicht in dem Chaos, das gerade herrscht. Im Moment spielt nichts eine Rolle, Mann. Die Stadt ist vollkommen außer Kontrolle. Da kannst du nicht erwarten …«
Das plötzliche Rattern von automatischem Gewehrfeuer zerfetzte die Luft. Edgar warf sich zu Boden, und Bosch hechtete instinktiv auf die Wand des Haushaltsgeräteladens zu. Sein Helm flog durch die Luft. Nach einer Weile wurden die daraufhin einsetzenden Gewehrsalven der Nationalgardisten von lauten Rufen beendet.
»Feuer einstellen! Feuer einstellen! Feuer einstellen!«
Die Schüsse verstummten, und Burstin, der Sergeant von der Sperre, kam in die Durchfahrt gerannt. Bosch sah Edgar langsam aufstehen. Er schien unverletzt, aber er bedachte Bosch mit einem seltsamen Blick.
»Wer hat das Feuer eröffnet?«, brüllte der Sergeant. »Wer hat damit angefangen?«
»Ich«, sagte einer der Männer in der Durchfahrt. »Ich habe geglaubt, einen Gewehrlauf über das Dach ragen zu sehen.«
»Wo, Soldat? Auf welchem Dach? Wo war der Scharfschütze?«
»Dort drüben.«
Der Schütze deutete auf die Traufe des Felgen-Shops.
»Herrgott noch mal!«, tobte der Sergeant. »Was soll der Scheiß? Dieses Dach haben wir längst geräumt. Außer uns ist dort oben niemand! Nur unsere eigenen Leute!«
»Sorry, Sir. Ich habe gesehen, wie …«
»Ist mir scheißegal, was Sie gesehen haben, Mann. Bringen Sie mir einen meiner Leute um, und ich reiße Ihnen persönlich den Arsch auf.«
»Ja, Sir. Sorry, Sir.«
Bosch stand auf. Seine Ohren rauschten, seine Nerven sirrten. Das plötzliche Krachen von automatischem Gewehrfeuer war nichts Neues für ihn. Aber es war fast fünfundzwanzig Jahre her, dass es ein fester Bestandteil seines Lebens gewesen war. Er hob seinen Helm auf und
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