Black Box: Thriller (German Edition)
gespiegelten Sonne konnte er jedoch nichts dahinter erkennen. Er hob die Hand und machte das Okay-Zeichen. Er hoffte, Jackson bekäme es mit und vergeudete nicht mehr länger seine Zeit.
»Moment«, sagte Wingo. »Was machen Sie da?«
»Nichts. Ich hatte nur jemanden gebeten, uns zu beobachten, weil ich Ihre Bitte, allein zu kommen und so, schon etwas eigenartig fand. Ich habe ihm nur ein Zeichen gegeben, dass alles in Ordnung ist.«
»Vielen Dank.«
Bosch lächelte über ihren Sarkasmus. Sie reichte ihm die Akte. Ihr Bericht war abgeschlossen.
»Ich bin nun mal ziemlich paranoid«, sagte Bosch. »Und Sie haben genau die richtigen Knöpfe bei mir gedrückt.«
»Manchmal kann ein bisschen Paranoia nicht schaden«, erwiderte Wingo.
»Manchmal ja. Und was ist Ihrer Meinung nach mit der Pistole passiert? Wie ist sie hierhergekommen?«
Bosch beschäftigte sich bereits mit seinen eigenen Antworten auf diese Frage, wollte aber noch Wingos Meinung hören, bevor sie ging. Immerhin arbeitete sie für die Bundesbehörde, die für die Überwachung von Feuerwaffen zuständig war.
»Was bei Desert Storm in Kuwait passiert ist, ist sattsam bekannt.«
»Ja, wir sind da rüber und haben Saddams Soldaten zur Sau gemacht.«
»Genau, der eigentliche Krieg hat nicht mal zwei Monate gedauert. Das irakische Militär hat sich zuerst nach Kuwait-Stadt zurückgezogen, und von dort haben sie dann über die Grenze nach Basra zu fliehen versucht. Dabei sind viele umgekommen und noch mehr wurden gefangen genommen.«
»Dieser Fluchtweg wurde Highway of Death genannt, glaube ich.« Bosch musste an Anneke Jespersens Fotoreportage denken.
»Richtig. Ich habe das alles gestern gegoogelt. Allein auf der Straße nach Basra gab es Hunderte von Toten und Tausende von Gefangenen. Sie luden die Gefangenen in Busse und ihre Waffen auf Lkws und verfrachteten alles nach Saudi-Arabien, wo sie bereits Kriegsgefangenenlager eingerichtet hatten.«
»Meine Pistole könnte also auf einem dieser Lkws gewesen sein.«
»Genau. Oder sie könnte einem Soldaten gehört haben, der das Ganze nicht überlebt hat oder es aber nach Basra geschafft hat. Aber das lässt sich nicht feststellen.«
Darüber dachte Bosch eine Weile nach. Irgendwie war eine Pistole aus dem Besitz der irakischen Republikanischen Garde ein Jahr später in Los Angeles aufgetaucht.
»Was geschah mit den konfiszierten Waffen?«, fragte er.
»Die Waffen wurden alle auf einen Haufen geworfen und vernichtet.«
»Und die Seriennummern hat niemand registriert?«
Wingo schüttelte den Kopf.
»Es war Krieg. Es waren zu viele Waffen, und es war einfach keine Zeit, um die Seriennummern zu registrieren oder sonst etwas in der Art. Wir haben es hier mit ganzen Lkw-Ladungen Waffen zu tun. Sie wurden einfach nur zerstört. Tausende von Waffen gleichzeitig. Sie karrten sie irgendwo raus in die Wüste, kippten sie in ein Loch und sprengten dann alles in die Luft. Anschließend ließen sie das Ganze ein, zwei Tage brennen und schütteten das Loch dann mit Sand zu. Fall erledigt.«
Bosch nickte.
»Fall erledigt.«
Er dachte weiter nach. Irgendetwas schlich an der Peripherie seiner Gedanken herum.
Etwas, das zu allem passte und alles in ein klareres Licht rückte. Dessen war er sich ganz sicher, aber er konnte es noch nicht deutlich erkennen.
»Dürfte ich Sie noch was fragen?«, sagte er schließlich. »Hatten Sie schon mal so einen Fall? Ich meine, eine Waffe von dort drüben, die hier in Zusammenhang mit einer Straftat aufgetaucht ist? Eine Waffe, die angeblich konfisziert und zerstört worden ist?«
»Genau dieser Frage bin ich heute Morgen nachgegangen, und die Antwort lautet: Ja, so etwas ist bereits vorgekommen. Zumindest in einem Fall. Nur nicht unter den gleichen Umständen.«
»Unter welchen Umständen dann?«
» 1996 kam es in Fort Bragg, North Carolina, zu einem Mord. Ein Soldat, der nach einem Streit um eine Frau im Suff einen anderen Soldaten erschossen hat. Die Tatwaffe war ebenfalls eine Beretta 92 aus den Beständen von Saddams Streitkräften. Der fragliche Soldat war während Desert Storm in Kuwait stationiert. Er hat im Zug seiner Vernehmung gestanden, die Pistole einem toten irakischen Soldaten abgenommen und später als Souvenir nach Hause geschmuggelt zu haben. Allerdings konnte ich in den mir vorliegenden Unterlagen nichts darüber finden, wie er das angestellt hat. Jedenfalls ist es ihm irgendwie gelungen, sie in die Staaten zu schaffen.«
Bosch wusste, dass es viele
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