Black Box: Thriller (German Edition)
mir unbekannt. Mir schien, dass sie erschossen worden war. Um mich zu vergewissern, dass sie tot war, suchte ich an ihrem Handgelenk den Puls. Dann zog ich mich aus der Durchfahrt zurück. Ich ging zu Funker Arthur Fogle und bat ihn, unseren Vorgesetzten, Sergeant Eugene Burstin, zu verständigen, dass in der Durchfahrt eine Tote lag. Daraufhin kam Sergeant Burstin und inspizierte die Durchfahrt und die Leiche. Dann wurde über Funk das Morddezernat des LAPD verständigt. Ich kehrte an meinen Posten zurück und wurde später zur Ecke Florence Avenue abgezogen, weil dort eine Menge aufgebrachter Anwohner in Schach gehalten werden musste. Dies ist eine vollständige, wahrheitsgemäße und genaue Schilderung meiner Aktivitäten in der Nacht von Freitag, dem 1 . Mai 1992 . Ich bezeuge dies durch meine Unterschrift.
Bosch schrieb in seinem Notizbuch die Namen Francis Dowler, Arthur Fogle und Eugene Burstin unter den Namen J.J. Drummond. Immerhin kannte er jetzt schon vier der zweiundsechzig Soldaten, die am Einsatz der 237 th Company in L.A. beteiligt gewesen waren. Bosch blickte auf Dowlers Aussage, während er überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Dabei fiel sein Blick auf das Gedruckte am unteren Rand der Seite. Es war eine Faxadresse. Offensichtlich hatte Gary Harrod die Aussage getippt und an Dowler gefaxt, damit dieser sie mit seiner Unterschrift bestätigte. Anschließend war das Dokument zurückgefaxt worden. In der Faxidentifizierung am unteren Seitenrand standen eine Nummer und ein Firmenname: Cosgrove Agriculture, Manteca, Kalifornien. Bosch nahm an, dass es sich dabei um Dowlers Arbeitgeber handelte.
»Cosgrove«, sagte er laut.
Derselbe Name war in Zusammenhang mit der John-Deere-Niederlassung aufgetaucht, aus der zehn Jahre zuvor der Alex-White-Anruf gekommen war.
»Ja, den habe ich hier«, sagte Chu hinter ihm.
Bosch drehte sich um.
»Wen hast du?«
»Cosgrove. Carl Cosgrove. Er war auch in der Einheit. Ich habe ihn auf einigen der Fotos hier. Er scheint dort oben ein ziemlich hohes Tier zu sein.«
Bosch merkte, dass sie über einen Zusammenhang gestolpert waren.
»Könntest du mir diesen Link schicken?«
»Klar.«
Bosch drehte sich wieder zu seinem Computer und wartete auf den Eingang der E-Mail.
»Ist das die Homepage der 237 th?«, fragte er.
»Ja. Da ist alles Mögliche drauf, was bis zu den Unruhen und Desert Storm zurückreicht.«
»Auch eine Namensliste?«
»Nein, eine Liste nicht, aber in den Berichten und unter den Fotos stehen alle möglichen Namen. Darunter auch der von Cosgrove.«
Die E-Mail ging ein. Bosch öffnete sie rasch und klickte auf den Link.
Chu hatte recht. Die Website war, gelinde gesagt, ziemlich dilettantisch gemacht. Seine Tochter hatte mit ihren sechzehn Jahren schon bessere Internetseiten für Schulaufgaben eingerichtet. Die der 237 th war offensichtlich in einer Zeit entstanden, als Homepages noch ein neues kulturelles Phänomen waren. Niemand hatte es für nötig befunden, sie mit zeitgemäßer Graphik und entsprechendem Design zu aktualisieren.
Die Hauptüberschrift charakterisierte die Seite als »Anlaufstelle der Fighting 237 th«. Darunter waren, was vermutlich Motto und Abzeichen der Kompanie waren: die Wörter
Keep on Truckin’
und eine Abwandlung des Truckin’ Man des Comiczeichners Robert Crumb, der einen grotesk vergrößerten Fuß weit nach vorn streckte. In der 237 th-Version trug der Mann eine Uniform und ein Gewehr über der Schulter.
Darunter waren Textblöcke mit Informationen über die aktuellen Trainingslager und Freizeitaktivitäten der Einheit. Es gab Links, um sich mit dem Administrator der Seite in Verbindung zu setzen oder an Gruppendiskussionen teilzunehmen. Einer trug den Zusatz »Geschichte«, und Bosch klickte darauf.
Der Link leitete ihn weiter zu einem Blog, in dem er durch Beiträge über die Meriten der Kompanie in den letzten zwanzig Jahren scrollen musste. Zum Glück war die Einheit nicht allzu oft zum Einsatz gekommen, und so dauerte es nicht lange, um in die frühen neunziger Jahre zu gelangen. Allem Anschein nach waren diese Meldungen 1996 , als die Seite eingerichtet wurde, nachträglich eingestellt worden.
Es gab einen kurzen Beitrag über den Einsatz bei den Unruhen in Los Angeles, der jedoch keine Angaben enthielt, die Bosch nicht schon bekannt waren. Allerdings waren dem Text mehrere Fotos beigefügt, auf denen Angehörige der 237 th an verschiedenen Stellen von South L.A. zu sehen waren. Des Weiteren waren
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