Black Box: Thriller (German Edition)
Bosch das Büro betrat. »Keine Belästigung, kein Zwang.«
»Zur Kenntnis genommen.«
»Was kann ich für Sie tun, Detective?«
»Ich möchte ein paar Tage Urlaub nehmen. Ich brauche, glaube ich, eine kurze Auszeit, um über Verschiedenes nachzudenken.«
O’Toole stutzte, als überlegte er, ob er in eine Falle tappte.
»Wann möchten Sie sich freinehmen?«, fragte er schließlich.
»Schon nächste Woche, wenn es geht«, antwortete Bosch. »Ich weiß, heute ist Freitag, und ich komme etwas kurzfristig damit an, aber mein Partner kann alles übernehmen, was momentan ansteht, und er plant bereits eine Abholung mit Trish Allmand.«
»Was ist mit dem Schneewittchen-Fall? Haben Sie nicht erst vor zwei Tagen gesagt, dass Sie nichts davon abbringen kann, der Sache weiter nachzugehen?«
Bosch nickte zerknirscht.
»Schon, aber im Moment ist gerade etwas die Luft raus. Ich warte verschiedene Entwicklungen ab.«
O’Toole nickte, als hätte er schon die ganze Zeit gewusst, dass Bosch in diesem Fall nicht weiterkäme.
»Sie wissen aber, dass das nichts an den internen Ermittlungen ändert«, sagte er.
»Ja, weiß ich«, sagte Bosch. »Ich muss einfach Abstand von allem gewinnen, ein bisschen über meine Prioritäten nachdenken.«
Bosch konnte sehen, wie sich O’Toole ein selbstgefälliges Grinsen verkniff. Er konnte es kaum erwarten, im zehnten Stock anzurufen und zu melden, dass Bosch keinen Ärger mehr machen würde, dass der widerspenstige Detective endlich Vernunft angenommen hatte und in den Schoß der Polizei zurückgekehrt war.
»Dann wollen Sie sich also nächste Woche freinehmen?«, fragte er.
»Ja, nur eine Woche«, antwortete Bosch. »Ich habe etwa zwei Monate angehäuft.«
»Normalerweise wüsste ich gern früher Bescheid, aber ich will mal eine Ausnahme machen. Geht in Ordnung, Detective. Ich werde es eintragen.«
»Danke, LT .«
»Würden Sie bitte die Tür schließen, wenn Sie gehen?«
»Gern.«
Bosch ließ O’Toole allein, damit er mit dem Polizeichef ungestört telefonieren konnte. Noch bevor er in seinem Abteil zurück war, hatte er bereits einen Plan, wie er die Sache privat weiterverfolgen konnte, während er im Urlaub war.
22
D as Ca’ Del Sole war inzwischen ihr Lieblingslokal. Dort trafen sie sich häufiger als sonst irgendwo in der Stadt. Ausschlaggebend dafür waren eine gewisse Sentimentalität, geschmackliche Vorlieben – beide mochten italienisches Essen – und Kostenerwägungen, aber vor allem hatte diese Wahl praktische Gründe. Mit geringfügigen Vorteilen für Hannah Stone war das in North Hollywood gelegene Restaurant sowohl zeitlich als auch verkehrstechnisch gleich weit von ihren Wohnungen und Arbeitsstellen entfernt.
Vorteile hin oder her, Bosch traf als Erster ein und wurde zu dem Tisch geführt, der ihr Stammplatz geworden war. Hannah hatte ihn vorgewarnt, dass sie vielleicht etwas später käme, weil sich die Termine in ihrem Rehabilitationszentrum infolge des unvorhergesehenen Gesprächs mit Mendenhall nach hinten verschoben hatten. Bosch hatte eine Akte mitgebracht und nutzte die Zeit zum Arbeiten.
David Chu hatte bis Dienstschluss kurze vorläufige Lebensläufe der fünf Männer zusammengestellt, auf die Bosch seine Ermittlungen konzentrieren wollte. Unter Zuhilfenahme öffentlicher und polizeilicher Datenbanken hatte sein Partner in zwei Stunden geschafft, wofür Bosch vor zwanzig Jahren zwei Wochen gebraucht hätte.
Chu hatte über jeden der fünf Männer mehrere Seiten an Daten ausgedruckt. Diese Ausdrucke waren ebenso in Boschs Akte wie die von Drummond und Jespersen auf der
Saudi Princess
aufgenommenen Fotos sowie eine Übersetzung der Reportage, die Anneke Jespersen zusammen mit ihren Bildern bei der
BT
veröffentlicht hatte.
Bosch schlug den Ordner auf und las die Reportage noch einmal. Sie datierte vom 11 . März 1991 , fast zwei Wochen nach Kriegsende, als die Truppen nur noch eine Friedensmission erfüllten. Der Text war kurz, und Bosch vermutete, dass es sich dabei lediglich um sogenannte Copy Blocks, also ausführlichere Bildunterschriften, handelte. Das Internet-Übersetzungsprogramm, das er verwendete, war mangelhaft. Es bewältigte keine grammatikalischen und stilistischen Nuancen, und entsprechend abgehackt und stümperhaft las sich die englische Übersetzung.
Es heißt »Traumschiff«, aber keine Missverständnisse, es ist ein Kriegsschiff. Luxusdampfer Saudi Princess läuft nie aus dem Hafen, aber hat immer maximale Sicherheit und
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